[178] Die Familie zur Oeveste dürfte
am "Wechselfieber" (Malaria) erkrankt gewesen sein. Es reichte vom starken
Schüttelfrost bis zum lähmenden Schwächegefühl, einige
Wochen, in seltenen Fällen auch einige Monate lang. Die Bezeichnung
"Sumpffieber" verweist (vor Entdeckung der Übertragung durch Malaria-Mücken
um 1880) auf die Ursachen: fälschlich wurden durch Feuchtigkeit und
Hitze entstehende "Ausdünstungen" in Sümpfen und Wäldern,
in stehenden und trägen Gewässern dafür verantwortlich gemacht.
Noch 1886 galt die St. Johannes-Gemeinde am White Creek in der Missouri-Synode
(vgl. Anm. 90) als "Fieberloch", in dem es kein Lehrer "Krankheits halber
... länger als 2-3 Jahre aushält". Die Gemeinde weigerte sich
damals, ihren Pastor nach Fort Wayne gehen zu lassen: "Wenn jemand zuzieht,
so ist er in der Regel Jahrelang (vom Fieber) geplagt. Pastor Jüngel
hat das Fieber überstanden und ist seit Jahrelang Gesund", vermerkt
das "Protokoll-Buch" unter dem 9. Dezember 1886.
"Er ist nicht krank, er hat nur das Wechselfieber", hieß es in
den Wäldern von Indiana. Die Krankheit sei so alltäglich gewesen,
erzählte der Siedler Oliver Johnson (1821-1907), daß es Farmer
gegeben habe, die im Spätsommer ihre Arbeit rechtzeitig erledigten,
um sich dann fröstelnd ins Bett zu legen.
J. H. zur Oeveste nennt nicht die "Medicin", die das Fieber "wieder
vertrieben" hat. "Schulmediziner" ließen zur Ader, gaben Kalomel
(Quecksilberchlorid) oder das sehr teure Chinin (1846: Eine Unze/28.35
g = 6-8 Dollar), und Zeitungsanzeigen boten Mittel für alles und jedes
an, in der "Seymour Times" z.B. am 31. August 1865 (und vorher und nachher)
"Dr. Roback's Stomach Bitters", die Hilfe versprachen bei "Magenbeschwerden"
und "Gelbsucht", "Schwindelgefühlen" und "Depressionen", aber eben
auch beim "Wechselfieber", erprobt im Krankenhaus und bei der Armee, ein
"Freund des armen Mannes", der "teure Medizin und die Rechnung des Arztes"
erspare. Bewährte Hausmittel waren Tees und Gänsefett, Whiskey
und (Schieß-)Pulver-Wasser, je bitterer um so besser, dazu viele
Rezepte aus der Heilkunde der Indianer. 1879 empfahl "Der unentbehrliche
Praktische Rathgeber, ein Schatzkästchen für Jedermann, enthaltend
eine nie versiegende Fundgrube nützlicher und erprobter Rathschläge",
eine Mixtur aus Franzbranntwein und Salz zur äußeren und inneren
Anwendung bei 36 Krankheiten, vom "Asthma" über die "Gicht" bis zu
"Wechselfieber" und "Zahnschmerzen".
J. H. zur Oeveste schreibt nicht, ob er einen Arzt aus dem 25 km entfernten
Columbus gerufen hat. Der kostete viel Geld und war nicht leicht vom Quacksalber
zu unterscheiden. Seit 1820 gab es die "Indiana State Medical Society",
seit 1825 den Versuch, eine einheitliche Ausbildung zu erreichen und Lizenzen
zu vergeben. Noch 1849 sah sich der Oberste Gerichtshof des Staates nicht
in der Lage, zu entscheiden, wer denn nun ein "doctor" sei. Als die Familie
zur Oeveste 1865/66 erkrankte, war in Indiana noch jeder ein "doctor",
der sich so nannte und seine Hilfe anbot. Viel Kompetenz gab es unter ihnen,
aber auch gefährliche autodidaktische Selbstgefälligkeit und
Quacksalberei. Viele zögerten, den "doctor" zu rufen: "Er tötet
schnell und kuriert langsam".
Vgl. die Anm. 7, 73,
87, 101 und
208.
(Barnhart I 251ff.; Brumder 131ff.; Buley I 240-314; St. Johannes,
White Creek: Protokollbuch; Johnson 41ff.; Seymour Times; Thornbrough 663ff.)
[179] Vgl. die Anm. 152,
158 und 166.
- Am 15. November 1864 hatte Heinrich zur Oeveste seinen Eltern geschrieben,
Louis Hüdepohl habe "versprochen", ihn "nächstes Frühjahr
als Buchhalter in sein Geschäft (zu) nehmen". Der sei "früher
mit unserem Onkel recht bekannt gewesen und (habe) mit demselben in einem
Hause logirt" (vgl. Anm. 34). - Louis Hüdepohl
(1813-1881) wurde in Rieste geboren, arbeitete 8 Jahre in Holland, ging
1838 nach Cincinnati, arbeitete zunächst, wie J. H. zur Oeveste, zwei
Jahre in einer Gießerei (vgl. Anm. 35),
eröffnete ein Transportgeschäft (12 Jahre), danach eine Spezereihandlung
und stieg 1857 in eine Spirituosen-Großhandlung ein. In der "Main
Strasse Nr. 372" hatte er 1860 ein "Liqueurgeschäft" eröffnet.
Sein Sohn gründete 1885 eine bis heute erfolgreiche Brauerei.
Ob Heinrich zur Oeveste die Stelle bekommen hat, geht aus seinen Briefen
nicht hervor. Vermutlich war er schon 1865 Verkäufer im "Manufacturgeschäft
Buddemeyer und Umethun".
(Burgheim 494; Familie Schütte: Briefe des Heinrich zur Oeveste;
Tenner 69f.)
[180] "Johann Vorwald wurde am 7. März
mit Jungfrau Sophie zur Oeveste getraut", steht im "Trauungs-Register"
(1866) der St. Johannes-Gemeinde am White Creek (Am 1. März hatte
das County-Gericht in Columbus die Heiratslizenz erteilt.). Der Ehemann
der "ältesten Tochter" (vgl. die Anm. 80
und 101), Johann Heinrich Vorwald, wurde
als 3. von 10 Kindern am 7. Januar 1844 am White Creek geboren.
Sein Vater, Johann Heinrich Vorwald (1809-1884), dessen Eltern Heuerleute
waren, kam aus Kalkriese bei Engter, seine Mutter, Katharina Gertrud Wiesehahn
(1810-1896), aus Schledehausen bei Osnabrück. Er war, wie J. H. zur
Oeveste, Gründungsmitglied der "Norddeutschen Lutherischen Kirche"
("Plattdeutsche Kirche") in Cincinnati (vgl.
Anm. 43) und der St. Johannes Gemeinde am White Creek (vgl. Anm. 61).
Vermutlich hat er 1839 in Cincinnati geheiratet. Am 21. November 1839 hat
er im Jackson township, knapp 10 km südwestlich der zur Oeveste Farm,
2 km östlich Waymanssville (Section 7), 80 acres gekauft (vgl.
Anm. 41).
Die Eltern des Bräutigams bewirtschafteten, laut Zählung
von 1860, eine sehr viel kleinere Farm als die Eltern der Braut (vgl.
Anm. 107): danach waren 10,10 ha (25 acres) von 35,55 ha (88 acres)
gerodet (z.Oe.: 32,32 von 145,47 ha). Der Immobilienbesitz sei 1000 Dollar
(3000), die bewegliche Habe 40 (1100) wert gewesen. Man registrierte 2
Pferde (4), 3 Milchkühe (8), 4 Rinder (23), 16 Schweine (36) und 15
Schafe (9), als Ernte 27,2 Zentner Weizen (111,5), 48,4 Zentner Mais (146,4)
und 2,3 Zentner Hafer (29). 47,1 kg Butter (141,3) seien produziert worden.
Sophia Louise Vorwald ist am 18. Oktober 1929, Johann Heinrich Vorwald
am 14. Juli 1925 gestorben. Der Nachruf im "Evening Republican" vom 15.
Juli 1925 würdigte "John Vorwald" als den "ältesten aktiven Kaufmann
der Stadt" Columbus/Indiana. Er habe zunächst auf der Farm des Vaters
gearbeitet, 1866 Sophia Zur Oeveste geheiratet und dann 6 Jahre in Indianapolis
in einer Waggon-Fabrik Beschäftigung gefunden. 1872 sei er nach Columbus
gekommen, wo er mit seinem Bruder Ludwig (1847-1888) ein Geschäft
eröffnet habe. Aus kleinsten Anfängen sei daraus einer der größten
Läden seiner Art in Columbus geworden. Ein Großteil seines Erfolges
sei Sophia zur Oeveste zu verdanken. (Von 1867 bis 1888 hat Sophia zur
Oeveste 9 Kinder geboren; vgl. Anm. 235). Er habe mit Kurzwaren gehandelt,
mit Stiefeln, Schuhen und Arbeitskleidung, mit Lebensmitteln aller Art
und mit Gemüse. Er habe Pelze gekauft und verkauft und sei für
viele der Experte für Felle gewesen, aus deren Struktur er das Wetter
und die Qualitäten der Jahreszeiten habe vorhersagen können.
Man habe seinen Rat gesucht für die Landwirtschaft, sein Laden sei
zum Treffpunkt der Farmer geworden mit lebhaften Gesprächen über
Ernteaussichten und übers Wetter.
Seit 1872 dürfte J. H. zur Oeveste zu den Lieferanten gehört
haben.
(Beers 38; Bartholomew County Court House: Marriage Records 7, 408;
Bartholomew County Court House: Death Records County, Death Records 3 City;
Bartholomew County Court House: Tract Book 21; Familie Chandler: Geburtsurkunde
Catharina Gertrud Wiesehahn; Indiana State Archives: Jeffersonville Land
District Tractbook 4; Indiana State Library: Census of Agriculture 1860;
St. Johannes, Engter: Kirchenbücher, Register 1809; St. Johannes,
White Creek: Kirchenbücher, Friedhof; NAMP: Census 1870; The Evening
Republican)
[181] Johann Heinrich zur Oeveste jr. (vgl.
Anm. 101) ist am 25. März 1866 konfirmiert worden. (St. Johannes,
White Creek: Kirchenbücher)
[182] Als J. H. zur Oeveste diesen Brief schrieb
(22. April 1866), war zumindest umstritten, ob "die Südlichen Staaten
alle wieder in die Unnion zurück getreten" waren.
Vergleiche das Stichwort "Reconstruction".
(Annual Register 1866, 292-304; Basler VIII 332f.; Blaustein 209-233;
Boyer 528ff.; McPherson 687-702; Schlesinger 294f, 304; Schulthess 1866,
353-367; Stampp 24-73, 111ff.)