[40] Die Adresse befindet sich auf der Rückseite des Faltbriefes. - Handschriftlich ist "Paid 25" nachgetragen, an anderer Stelle "17 3/4". Ein Stempel ist unleserlich, einer enthält "1. Nov. 39", ein anderer "Cincinnati", ein dritter "NEW YORK NOV 6".

[41]  "Schuhmacher aus Hembke ... ging Mai 1837 nach Amerika" (Lange). - Am 29. Juli 1839 hatte Diederich Pardieck (vgl. Anm. 34) 120 acres (48,5 ha) Urwald im staatlichen Landoffice in Jeffersonville/Indiana (am nördlichen Ufer des Ohio bei Louisville/Kentucky) gekauft. Das Land lag 65 Meilen (105 km) nördlich von Jeffersonville und 15 Meilen (24 km) südlich von Columbus im Bartholomew County am White Creek. J. H. zur Oeveste wird mit seinen Freunden von Cincinnati aus bis Jeffersonville mit dem Dampfboot gefahren und mag die 105 km über den Waldweg nach Columbus gelaufen sein, um sich noch freies Land anzusehen. Am 17. Oktober 1839 kaufte "John H. Zuroveerte" in Jeffersonville 120 acres (48,48 ha) in den "Sections 21, 28, Township 8, Range 5" für 1,25 Dollar pro acre. Mit dabei waren die neuen Nachbarn Hermann Trimpe (80), Hermann Rothart (80), Franz Schumacher (80), Friedrich Linnemann (120) und in der Sektion 34 Bernhard Burbring (120), Hermann Barlage (80) und Heinrich Burbring (80).
Im Sommer 1839 hatte der Kauf der Grundstücke am White Creek durch lutherische und reformierte Colonen-Söhne, Heuerleute und Knechte aus Engter, Venne, Bramsche und Tecklenburg begonnen. In einem Bericht über eine Reise nach Goshen (heute Hope) bei Columbus schrieb der Theologe und Naturwissenschaftler Ludwig David von Schweinitz, Mitglied der Herrenhuter Brüdergemeinde in Salem, North Carolina, im Jahre 1833: "Bekanntlich wird durch die Vereinigten Staaten ... alles Land in gleiche 36 quadrat Meilen enthaltene Townships abgelegt. Jede solche quadrat Meile (2,59 qkm), deren mithin in jeder Richtung 6 sind, bildet eine Section von 640 Ackern (258,56 ha). Jede Section ist in abermals 8 gleiche 1/2 4 Sectionen, mithin 80 Ackerstücke eingeteilt. Diese Eintheilungen finden aber nicht etwa nur auf dem Papier statt, sondern sie sind wirklich abgemessen und an den Eckbäumen mit den Gehörigen Nummern bezeichnet. ... Es sucht sich jeder, nachdem es ihm bey eigener Ansicht, mit Rücksicht auf Güte, Wohlgelegenheit, Wasserquellen usw. ansteht, von allem, noch nicht occupirten, aus, was ihm gefällt." Johann Heinrich zur Oeveste wird sein Grundstück gefallen haben. Seine beiden im Jahre 1819 vom Landvermesser Bethuel F. Morris beschriebenen Eckbäume waren Buchen mit 60 bzw. 40 cm Durchmesser. Er hatte Mischwald gekauft: Buche, Esche, Rauher Ahorn, Zucker-Ahorn, Hartriegel, Eiche, Ulme, Walnuß, Lorbeer, Pappel, Platane und Hickory-Nuss. Die vom Landvermesser beschriebenen Eckbäume im gesamten "Township Nr. 8 N., Range Nr. 5 East, 2nd Mer." lassen diesen Schluß zu.
Bartholomew County ist 1821 gegründet worden, die Stadt Columbus 1822. Das etwas hügelige Gebiet am White Creek wurde zuletzt besiedelt. 1840 waren 4/5 der Grundfläche des Staates Indiana verkauft. Franz von Löher schrieb 1847 in Cincinnati, Indiana habe "seine Leute hauptsächlich aus der schottisch-irischen Bevölkerung von Nordcarolina" erhalten, "einer düstern, ungeselligen, trägen Volksklasse. Nirgends (sei) Gastfreundschaft weniger zu Hause als bei Ihnen".
Als J. H. zur Oeveste sich am White Creek einkaufte, hatten die Indianer seit 21 Jahren in dieser Region kein Stammesland mehr. Die durch Krankheiten, Whiskey und Entbehrungen geschwächten und von den Politikern und Siedlern des 1816 gegründeten Staates Indiana bedrängten Delaware-Indianer im Gebiet des White River verkauften im Oktober 1818 in St. Mary/Ohio ihr Land an die Vereinigten Staaten für 10 Cents pro acre. Westlich des Mississippi wurde ihnen Land zugewiesen, in das sie innerhalb von 3 Jahren abzuziehen hatten, versorgt "mit 120 Pferden nicht über 40 Dollar pro Tier und mit einer hinreichenden Anzahl Boote". Das mittlere Indiana stand den Einwanderern offen. Nicht mehr als 3000 Indianer lebten noch nördlich des Wabash. Ende der 40er Jahre war Indiana ein Staat weitgehend ohne Indianer. - Vgl. Anm. 22 .
(Barnhart I 200ff.; Bartholomew County Governmental Offices: Survey of 1819 by Bethuel F. Morris; Bartholomew County Historical Society 1976,61f.; Indiana State Archives: Jeffersonville Land District: Register of Receipts, Jan. 2, 1837 - Dec. 30, 1845; Tractbook 4, 375ff.; St. Martin, Bramsche: Lange 39; Löher 333f.; Schweinitz 29; Schwenk)

[42]  Dieses Ziel wurde nicht erreicht. Es gelang aber, Deutschunterricht im Lehrplan der staatlichen Schulen unterzubringen. Seit 1840 gab es "German-English public schools", in der ersten Klasse mit englischem Anfangsunterricht, danach mit täglich ein- bis zweistündigem Deutschunterricht mit Englisch als grundlegender Unterrichtssprache. Die meist kirchlichen deutschen Privatschulen lehrten Englisch nur als Fremdsprache. (Ford 134f., 190; Toth; Zeydel)

[43]  Im Jahre 1822 errichteten deutsche Juden die erste Synagoge westlich der Alleghenies in Cincinnati. Die erste deutsche katholische Kirche im Westen war die "Hl. Dreifaltigkeitskirche" von 1834 in der 5. St. zwischen Park- und Smith-St..
1814 entstand in Cincinnati die "Deutsche Lutherische und Reformierte Kirche", seit 1834 an der 6. St. zwischen Walnut- und Vine St.. Die Mitglieder schrieben 1823 in ihre "Constitution" (§ 3), es solle "in derselben niemals in englischer Sprache gepredigt werden dürfen". Zu den süddeutschen Gründungsmitgliedern stießen mehr und mehr norddeutsche Emigranten, so daß sprachliche, soziale, kulturelle und religiöse Unterschiede sich auf dem Hintergrund starker Zuwanderung in Streitigkeiten auswirkten und an den Persönlichkeiten konkurrierender Prediger festgemacht wurden. 1832 verließen einige die St. Johannes-Gemeinde und gründeten die "Vereinigte Reformierte und Lutherische Evangelische Gemeinde" an der Ecke Walnut- und 13. St.. Am 17. Dezember 1838 verließen "Osnabrück und Umgebung" (Klauprecht) diese Gemeinde und gründeten die "Norddeutsche Lutherische Kirche", auch "Osnabrücker" oder "Plattdeutsche Kirche" genannt. Nachdem die "Norddeutschen" mit Pastor Möllmann die Predigerwahl gewonnen hatten (286 gegen 231 Stimmen), gaben ihnen die "Hochdeutschen" 2800 Dollar ("wegen Auskaufung") mit auf den Weg. "Osnabrück und Umgebung" legten in § 10 ihrer "Constitution" fest, daß "niemand in den Kirchenrath gewählt werden kann, der der plattdeutschen Sprache nicht mächtig ist". Die Verbliebenen, nun "Deutsche St. Johannes Gemeinde", entschieden in ihrer neuen Satzung von 1839 in § 15: "Um allen provinzialischen Vorurteilen vorzubeugen findet es die Gemeinde für nothwendig nur drei Gemeindeglieder aus einer Provinz zu wählen. Alle Nord-Deutschen zählen jedoch zusammen nur eine Provinz".
Am 23. Dezember 1838 beschlossen die "Plattdeutschen", "daß eine neue Kirche gebaut werden solle ... im Mittelpunkte der Stadt diesseit des Kanals". Nach einer halben Stunde war der Bauplatz "an der Walnut St. zwischen der 8. u. 9. Str. Ecke Buckey Alley ausgesucht und angekauft". Am gleichen Tag wurde die Gemeinde gegründet: "Unter den jetzigen Umständen ist es durchaus nothwendig, uns brüderlich zu einer kirchlichen Gemeinschaft zu verbinden. Wer daher religiöses Leben unter uns aufrecht zu erhalten wünscht, der unterzeichne seinen Namen". In englischer Sprache zu predigen sollte unterbleiben, solange 5 Mitglieder dagegen waren.
"J. H. zur Oeveste" unterschrieb als "Nr. 138" und zahlte, wie die meisten, 5 Dollar (die Beträge lagen zwischen 3 und 10, viermal bei 13 bzw. 15 Dollar). Unter den 360 Gründungsmitgliedern (nur Männer) waren seine späteren Nachbarn Trimpe und Schumacher (vgl. Anm. 41) und sein zukünftiger Schwager Caspar Geist (vgl. Anm. 48). Am 28. Januar 1839 hat sich Dietrich Pardieck an der "Wahl des Kirchenraths" beteiligt, am 7. September 1840 "J.H. Zuöfert" an der Wahl des neuen Predigers nach dem Tode Pastor Möllmanns am 8. Mai 1840, vor dem er am 19. November 1839 geheiratet hatte (vgl. Anm. 48).
Diederich Hermann Heinrich Möllmann (geb. am 26. November 1806 im Stift Börstel) war der Sohn des Stiftpredigers Bernhard Möllmann, der im Osnabrücker Nordland eine "Lesegesellschaft" mit einer um Aufklärung bemühten Leihbibliothek für die Landbevölkerung gegründet hatte. Am 22. September 1835 bekam er "kurz vor seiner Abreise" die geistliche Ordination vom Consistorium zu Osnabrück "als Pastor für Amerika". Weihnachten 1835 traf er in New York ein. Bis zur Wahl in Cincinnati war er Pfarrer an der deutschen evangelischen Kirche in Albany/New York. Die "Norddeutsche Lutherische Kirche" hat er am 15. Dezember 1839 eingeweiht. Ein achtseitiger Nachruf ist 1841 in der "Lüdeckeschen Buchdruckerei" in Osnabrück erschienen.
(Fick 113-132; Grams 1993; Klauprecht 173; Lüdeckesche Buchdruckerei; Norddeutsche Lutherische Kirche: Kirchenbücher; Rau; StOs: Rep 335, 44247 II, 223: Übersicht der Auswanderungen nach Amerika aus den Bezirken des Amtes Bersenbrück im Jahre 1835; St. Johannes, Cincinnati: Satzung 1839; Tolzmann 1993; Ziessow)

[44]  Vgl. 2. Timotheus 3. 13f.: "Mit den bösen Menschen aber und verführerischen wird's je länger, je ärger: verführen und werden verführt. Du aber bleibe in dem, das du gelernet hast und dir vertrauet ist, sintemal du weißt, von wem du gelernet hast".
[45]  J. H. zur Oeveste meinte vermutlich die "Orientalische Krise" (1839-1841). Das in den Türkenkriegen des 18. und frühen 19. Jahrhunderts vor allem durch Rußland, Österreich und den deutschen Kaiser geschwächte Osmanische Reich wurde 1839 vom halbsouveränen Vizekönig Ägyptens, das zum osmanischen Reich gehörte, bedroht; er beanspruchte für sich volle Souveränität und Vorherrschaft. Nachdem er die türkische Armee vernichtend geschlagen hatte, garantierten nun Rußland, Österreich, England und Preußen im Juli 1840 die Erhaltung des Osmanischen Reiches. Sie stellten sich gegen Frankreich, das Ägypten im Interesse eigener Nordafrikapolitik unterstützte. Der Affront führte zu gegenseitiger nationaler Kriegsbegeisterung und Kriegsvorbereitung in Frankreich und Deutschland, ohne daß es zum Kriege kam: Ägypten hatte sich nach wirkungsvoller Seeblockade den vier europäischen Mächten gefügt. Deutschland und Frankreich belebten nun ihre Feindschaft aus den Jahren napoleonischer Vorherrschaft in Europa (1803-1816), die auch J. H. zur Oeveste in Rieste und Bramsche als Kind erfahren hatte (vgl. Anm. 146). Franzosen wollten den Rhein als Frankreichs Ostgrenze, und Deutsche sangen seit 1840 dagegen: "Sie sollen ihn nicht haben, den freien deutschen Rhein!" (Schieder 118f.; Treitschke 60-117)

[46]  Auf Seite 2 des "Kirchen-Buch(es) der Evangelisch-lutherischen Gemeinde am Whitecreek, Bartholomew County, Indiana. Angefangen bei Errichtung der Gemeinde im Jahre Christi 1840", ist nachgetragen: "Des Johann Rudolph Dietrich Pardieck und seiner Ehefrau Anna Maria Elisabeth geborne Otten am 20. Juny 1839 geborner Sohn Johann Heinrich ist getauft am 7. July 1839. Gevattern waren Christian Friedrich Hollenbeck, Johann Heinrich Wachendorff und dessen Ehefrau". - Anna Maria Elisabeth Otten wurde am 16. April 1817 in Evinghausen bei Engter geboren.