[94] Die Adresse befindet sich auf
der Rückseite des Faltbriefes. Er trägt die Aufschrift "Walesboro-19"
und die Stempel "New York 23 JAN", "AACHEN 13 2" und "HANNOVER 14 2". Ein
Stempel ist unleserlich. - Der "Weltbote" (vgl. Anm. 211) informierte am
15. Juli 1857 über "Postbeförderung nach Deutschland", um "die
Unkundigen" vor "ungebührlichen oder unrichtigen Portoforderungen"
zu schützen. Wöchentlich von New York abgehende Briefe über
Ostende und Aachen kosteten ins Königreich Hannover 30 Cents, monatlich
"direkt auf Bremen" abgehende 15 Cents. "Die Portosätze ... können
ganz hier vorausbezahlt werden, oder unbezahlt bleiben." Der Briefwechsel
zwischen dem 28. Mai 1847 und dem 3. Mai 1856 ist vom Herausgeber bisher
nicht gefunden worden.
[95] Am 13. März 1856 war sein Schwager
Johann Heinrich Erdbrügge, am 12. Oktober 1853 sein Schwager
Johann Rudolph Holstein, am 19. April 1854 seine Nichte Johanne Margrete
Elise (geb. am 23. November 1852), das vierte Kind der Adressaten dieses
Briefes, gestorben. J.H. zur Oeveste wußte noch nicht vom Tod seiner
Schwägerin Anna Catharina, der Adressatin dieses Briefes (20. Oktober
1856); vgl. Anm. 105.
[96] "Anna Maria Elisabeth Pardiek, geboren
den 16. April 1817 in Evinghausen Hannover, starb den 15. Mai 1856 morgens
11 Uhr, und wurde am darauf folgenden Tage begraben." Laut Kirchen-Buch
hatte sie vom 20. Juni 1839 bis zum 6. April 1856 in Cincinnati und am
White Creek 10 Kinder geboren (4 Jungen, 6 Mädchen). Das Kirchenbuch,
das Lücken aufweist, verzeichnet den Tod von 5 Kindern: 1841, 1846,
Zwillinge 1854, zehn und zwölf Tage alt, und eine sechseinhalbjährige
Tochter am 9. Oktober 1855. Zwillinge hatte Anna Maria Elisabeth Pardiek
schon einmal im Jahre 1848 geboren. - "Johann Dietrich Rudolph Pardiek
wurde ... den 23. August 1856 mit der Wittwe Sophie E Kleinmüller
... getraut." Vgl. die Anm. 34, 41, 77, 82 und 91. (St. Johannes, White
Creek: Kirchenbücher)
[97] Der Wahlkampf um die Präsidentschaft
im Jahre 1856 war schon eine Auseinandersetzung zwischen dem Süden
und dem Norden, für und wider die Ausweitung der Sklaverei. Der Demokrat
James Buchanan (1791-1868) vertrat eine Politik der Nichteinmischung in
die Sklavenpolitik der Einzelstaaten und der Öffnung einiger Territorien
für die Sklaverei auf der Grundlage des Kansas-Nebraska-Gesetzes von
1854 (vgl. Anm. 98), obgleich er persönlich die Sklaverei ablehnte.
Er gewann 14 "Sklaven-Staaten" und 4 "freie Staaten". Der Republikaner
John Frémont (1813-1890), der das Verbot der Sklaverei in den Territorien
auf der Grundlage des Missouri-Kompromisses von 1820/21 (vgl. Anm. 98)
vertrat, verbuchte 11 "freie Staaten" und 1 "Sklaven-Staat", der Kandidat
der American Party ("Know-Nothing"), Millard Fillmore (1800-1874), 1 "freien
Staat". Die Whigs hatten Fillmore unterstützt (vgl. Anm. 75).
Über die Sklavenfrage hatten sich die Whigs 1852 gespalten. Der
fremdenfeindliche Flügel gründete die American Party. Sie wurde
"Know-Nothing-Party" genannt, weil ihre Mitglieder auf Fragen nach ihrer
Organisation "I know nothing" ("Ich weiß nichts") antworteten. Sie
war 1849 aus einem Geheimbund hervorgegangen, der sich als Teil der nativistischen
Bewegung gegen die Masseneinwanderung der 40er und frühen 50er Jahre
mit stark antikatholischen Akzenten gebildet hatte. Sie hatte großen
Zulauf, weil viele Amerikaner sich bedroht fühlten von Fremden und
fremder "unamerikanischer" Religiösität und Kultur irischer und
deutscher Einwanderer. In den Neu-England-Staaten, im Nord-Osten der USA,
hatte sie ihre Hochburg. Sie verstand sich als prinzipielle Alternative
zu den etablierten Parteien. Sie war entschieden gegen die Sklaverei. Ihr
Kandidat Fillmore vertrat aber einen gemäßigten Kurs gegenüber
dem Süden, um ein Zerbrechen der Union zu vermeiden. Nach 1856 wurde
die Partei bedeutungslos; viele ihrer Wähler gingen zu den Republikanern
über. Der Versuch, sich gegen die häufig schon wahlberechtigten
Einwanderer zu stellen, fand nur noch geringe Unterstützung. Die "Republican
Party" entstand 1854/55 aus zahlreichen "republikanischen" Ortsvereinen
und Regionalverbänden, vor allem aus Nordstaaten-Whigs und -Demokraten.
Sie lehnten die Ziele der "Know-Nothings" ab, aber auch die Position der
Demokraten, die Sklavenfrage den Einzelstaaten zu überlassen. Sie
waren keine grundsätzlichen Gegner der Sklaverei ("Abolitionists")
und keine Sklavenhalter: 1856 vertrat ihr Kandidat Frémont das Verbot
der Sklaverei nur in den Territorien.
Im Wahlkampf bekämpften die Nord-Demokraten die "Negerrepublikaner"
mit ihrer "ungezügelten und fanatischen Sentimentalität für
die schwarze Rasse" als Zerstörer der Union. In Indiana trugen weiß
gekleidete Mädchen auf einer demokratischen Parade ein Transparent:
"Väter, bewahrt uns vor Niggergatten". Die Republikaner blieben in
der Defensive, verwiesen auf die Überlegenheit der weißen Rasse
und auf Kansas, wo die Partei keine freien Schwarzen, aber im Gegensatz
zu den Demokraten auch keine Sklaven sehen wollte: "Die Sklaventreiber
(d.h. die Demokraten) wollen Sklavenzucht, Sklavenhandel, Sklavenarbeit,
Ausbreitung der Sklaverei ... für alle Zeit ...".
(Boyer 465ff.; McPherson 135, 147ff.)
[98] Im Jahre 1860 lebten im sklavenfreien Staat
Indiana (demokratisch regiert von 1843-1861) 11 428 freie Schwarze (0,84%
der Bevölkerung). Seit 1851 untersagte ihnen die Verfassung, zu wählen,
vor Gericht als Zeugen aufzutreten, schwarz-weiße Mischehen einzugehen.
"Negroes or Mulattos" durften sich seitdem nicht mehr in Indiana niederlassen
(Art. 13,1). Letzteres war in einer Volksabstimmung mit 113 828 : 21 873
Stimmen beschlossen worden, Ähnliches auch z.B. in Iowa, Wisconsin
und Michigan.
Die Schwarzen "wieder nach Afrika zu senden und sie dort zu einem freien
Volke (zu) machen", das wurde auch in Indiana seit 1850 verstärkt
versucht. Art. 13,3 sah finanzielle Unterstützung für freie Schwarze
vor, die bereit waren, nach Liberia auszuwandern. 40 ha Land und 50 Dollar
wurde vor allem Familien vom staatlichen Kolonisationsausschuß zugesagt.
1853 sind 33 Schwarze aus Indiana nach Liberia gegangen. Staat und Mehrheit
der Bevölkerung haben versucht, Indiana durch Einreiseverbot und Auswanderungsangebot
von Schwarzen frei zu halten. Sie sind damit gescheitert.
Schon nach der Unabhängigkeitserklärung (1776) hatte man
über die Auswanderung der Schwarzen nachgedacht. 1817 wurde die "American
Colonization Society" gegründet, 1820 eine ihr zuarbeitende "Indiana
Colonization Society", deren erster Präsident der Gouverneur war.
Vor allem weiße Politiker gehörten ihr an. Viele Südstaatler
wollten ihre freien Schwarzen loswerden, um die Sklaverei zu sichern. Viele
Nordstaatler wollten die freien Schwarzen loswerden, um als Weiße
unter sich zu bleiben. Weiße und Schwarze traten für die Auswanderung
ein, weil "frei in Indiana zu leben (für sie) nur wenig besser (sei)
als in der Sklaverei in Kentucky" (Reverend Richmond). Die meisten Schwarzen
aber waren dagegen. Für sie waren die USA auch ihr Land und ihre Heimat.
1821 kaufte die "Gesellschaft" Land in Westafrika, das sie 1824 Liberia
(lat. libertas = Freiheit) nannte mit der Hauptstadt Monrovia, benannt
nach dem amerikanischen Präsidenten James Monroe (1758-1831,1817-1825).
Bis 1870 sind nur rund 15 000 Schwarze aus den USA nach Liberia ausgewandert.
1847 wurde die Siedlung der "American Colonization Society" unabhängig,
aber erst während des amerikanischen Bürgerkriegs (1862) von
den USA anerkannt; man habe keinen schwarzen Botschafter in Washington
sehen wollen.
Es ist nicht sicher, ob J. H. zur Oeveste schon vor 1863 den "Weltbote(n)"
gelesen hat (vgl. Anm. 211). Seine Position zu Liberia hat der "Weltbote"
am 15. Dezember 1859 sehr bestimmt vorgetragen, "daß (nämlich)
nur ... durch Colonisation, durch Versetzung der Schwarzen in ihr Heimathland,
dem frei gewordenen Sklaven eine wahre Heimath für segensreiche Wirksamkeit
geschaffen werden kann. Dort ist ihr wahres Vaterland, von dort her sind
sie geraubt worden, dahin führt sie wieder zurück, mit aller
nöthigen geistigen und leiblichen Ausrüstung. Dahin ist bereits
der Weg gebahnt. Dort winkt ihnen Liberia, und die Arme glücklicher
Brüder sind nach Ihnen ausgestreckt."
Vergleiche das Stichwort "Sklaverei und Territorien".
(B., K. 225-233; Barnhart II 292-297; Blaustein/Zangrando 69ff.; Boyer
270f., 351-385, 453-470; Chambers 59ff.; Crenshaw 13-19; Hoche 83f.; Madison
169ff.; McPherson 69, 94-106; Meyer 234ff.; Missouri-Synode 1866, 304ff.;
Patterson 71ff.; Quarles 279ff.; Reyner 553f.; Schlesinger 211, 227, 259,
262, 271; Sihler 1863, 89-93, 97-101, 1006f., 113-115; Stein 57-71; Temperley
78ff., 92ff.; Verfasser ... 1844; Weltbote)
[99] Es ging 1858 "vor sich": am 16. August
telegraphierten Queen Victoria und Präsident Buchanan miteinander.
Nach wenigen Wochen war die Leitung defekt. Erst 1866 kam eine dauernde
Verbindung über ein verbessertes Kabel zustande. Der Unternehmer Cyrus
West Field (1819-1892) hatte seit 1854 für eine telegraphische Verbindung
mit Europa geworben. 1857 war mit der Verlegung des Kabels begonnen worden.
- J.H. zur Oeveste hat bei der sechsstündigen Zeitdifferenz fälschlich
New York der britischen Hauptstadt vorgeordnet. 10 Tage, bevor er diesen
Brief schrieb, hatte der "Weltbote" am 7. Januar 1857 auf die Gefahren
in "Kriegszeiten" hingewiesen, da das Unternehmen weitgehend mit englichem
Kapital finanziert werde: In der Welt herrsche "der Geist der Herrschsucht,
des Aufruhrs, der Zwietracht und der Unzufriedenheit ... es ist eine Quelle,
aus welcher alles Unheil entspringt - die Sünde." (Davis 688; Weltbote)
[100] Der "Weltbote" (vgl. Anm. 211) hatte
z.B. am 7. Januar 1857 berichtet über "Neger-Aufregung im Süden"
und "Bankfälschung im Großen", über die Vergiftung von
Personen durch den "Negerkoch" und einen "Todesfall durch Trunksucht" in
Chicago; Deutsche seien "aufgebracht", weil der Täter, der in St.
Louis einen Deutschen ermordet habe, nach 3 Jahren begnadigt worden sei.
Als J.H. zur Oeveste ausgewandert war (1834), gab es noch keine Eisenbahn
und keine Telegraphen und z.B. in Oldenburg nur die obrigkeitlich lizensierten
und kontrollierten Wochenzeitungen "Oldenburgische Zeitung" und "Oldenburgische
Blätter", in denen Belehrendes, Erbauliches und Kurioses an erster
Stelle standen. Die amtlichen Mitteilungsblätter "Oldenburgische Anzeigen"
und auch die "Osnabrückischen Anzeigen" enthielten gerichtliche Urteile,
Steckbriefe und Diebstahlsanzeigen vor allem aus dem eigenen "Kleinstaat".
Einzelne Kapitalverbrechen wurden geschildert. Die freie amerikanische
Presse rückte Sensationsmeldungen aus den gesamten USA in den Vordergrund
und betonte biographische Einzelheiten. Prof. Wilhelm Sihler klagte am
8. Februar 1859 im "Lutheraner": "Auf eine furchtbare Weise mehren sich
die groben Verbrechen: Mord ..., dazu Straßenraub, Einbrüche,
Brandstiftungen, Unterschlag öffentlicher Gelder, Falschmünzerei,
... bösliches Verlassen von Ehegatten und Wiederverheirathung an anderen
Orten, heimliche Hurerei und gewaltthätige Abtreibung der Leibesfrucht.
Faullenzen, Saufen, Spielen, wüstes und mordlustiges Gebaren ... werden
in Haufen in den täglichen und wöchentlichen Blättern gemeldet
...". (Sihler 1859, 98f.; Weltbote)
[101] Das erste Kind, Johann Rudolph (vgl.
Anm. 59), war am 28. August 1849 an der "Ruhr", einer vor allem im Sommer
auftretenden infektiösen bakteriellen Darmerkrankung, gestorben. Es
wurde am 29. August "beerdigt in meiner Abwesenheit von Gemeindegliedern".
Pastor Fricke hatte es ins "Sterb-Register" eingetragen. Er hatte im gleichen
Jahr 4 weitere Todesfälle notiert. Als Ursachen nannte er "Ruhr" (13.
August, 62 Jahre), "Entkräftung" (28. August, 10 Monate), "Auszehrung"
(3. November, 39 Jahre) und "Cholera" (5. Juli, 41 Jahre). Im späten
Sommer und frühen Herbst hatten (fiebrige) Magen- und Darmerkrankungen
ihren Höhepunkt (vgl. die Anm. 178 und 7). Die Cholera, in Deutschland
auch "Brechruhr" genannt, erreichte die USA von Europa aus im Frühjahr
1849. In Cincinnati (116 000 Einwohner) starben von Mitte April bis Mitte
Oktober 4 600 Menschen an der Cholera, in Minster/Ohio (1 140 Einwohner),
am Erie-Kanal, 250 (vgl. Anm. 25). In Cincinnati war die Zahl der Cholera-Toten
unter den Einwanderern, den Deutschen und Iren, viermal höher als
unter den einheimischen Amerikanern. Die recht isolierte Siedlung am White
Creek war weniger gefährdet. - Am 16. November 1847 war, 3 Tage nach
der Geburt, zwei Tage nach der Taufe, der zweite Sohn Johann Heinrich gestorben
(vgl. S. 71). Am 27. März 1849 wurde die Tochter Maria Elisabeth geboren
("Morgens 8 Uhr", getauft "den 6ten April im Hause der Ältern"), am
10. August 1852 der Sohn Johann Heinrich ("morgens 8 Uhr", getauft "am
5. September 1852 im Hause der Eltern"), und am 24. Oktober 1855 die Tochter
Marie Caroline ("morgens 7 3/4 Uhr", getauft "den 12. November 1855 im
Hause der Eltern"). (Ford 98; Hoying 90f., 347; St. Johannes, White Creek:
Kirchenbücher; Rosenberg 101ff.)
[102] J.H. zur Oeveste hatte am 17. Juni 1851
von Hermann Trimpe (vgl. die Anm. 41 und 57) 80 acres (32,32 ha) für
2.03 Dollar pro acre gekauft. Das Land schloß südlich an den
eigenen Erstkauf (120 acres = 48,48 ha) an (vgl. Anm. 41). Am 1. September
1854 kaufte er 80 acres und am 7. April 1856 noch einmal 80 acres von Franz
Schumacher, jeweils östlich des eigenen Erstkaufs gelegen. Er zahlte
6,56 Dollar pro acre. (Familie Chandler: Kaufverträge Trimpe und Schuhmacher;
Schwenk)
[103] Gemeint ist der Staat Missouri westlich
des Mississippi. Vgl. Anm. 111.