1 Nachdenken über Kommunikation und Rhetorik

1.8 Kommunikationsstile










 Der sich-beweisende Stil

Erscheinungsbild, Grundbotschaft und seelischer Hintergrund

Die Erscheinungsform des sich- beweisende Stils lässt sich sehr gut von der Grundbotschaft her aufrollen:

 



Grundbotschaft des sich beweisenden Stils

 

"In zahllosen Variationen hört der Empfänger immer wieder das "Sieh her!" im Ohre klingen: "Sieh her,

  • wie ich doch gelehrsam reden kann,
  • was ich alles geschafft habe,
  • was ich alles mein eigen nenne,
  • wo ich überall als wichtige Person gefragt bin,
  • wen ich alles kenne (und mit wem ich mich sogar duze!),
  • wo ich überall maßgeblich mitmische,
  • worüber ich alles Bescheid weiß und kluge Ausführungen machen kann,
  • was ich schon für Heldentaten begangen habe"!"

Solche narzisstischen Grundkundgebungen können durchaus dezent, nur auf dem "Kanal der Beiläufigkeit" vermittelt sein - jedenfalls fühlt der Angesprochene sich immer wieder aufgefordert, mit anerkennendem Erstaunen nicht zu sparen; vielleicht gerät er auch, besonders wenn er aus ähnlichem Holze geschnitzt ist, unter Druck "mitzuhalten".

Beides kann die Beziehung schwierig machen.

"Der/die sich Beweisende steht unter permanentem Druck:
Sich nach außen hin vollkommener zu geben, als einem innerlich zumute ist, kostet viel psychische Kraft.

Ein derartiger "hausgemachter" Stress wird verstehbar, wenn man ein seelisches Axiom unterstellt, das den Selbstwert von der hergezeigten Leistung abhängig macht:
"Ich selbst bin nicht (liebens)wert - nur in dem Maße, wie ich "gut" bin, verdiene ich Liebe und Anerkennung."

"Ein Kind, das sich nicht um seiner selbst willen geliebt fühlt, muss frühzeitig auf Erfolg setzen und lebt unter dem Damoklesschwert der Niederlage. Die Spitze dieses Schwertes bekommt es nur allzu häufig in Form von Herabsetzungen und Entmutigungen zu spüren: "Was, das kannst du nicht? Sag mal, was kannst du überhaupt?!" Solche Sätze, die von Eltern oder Lehrern gedankenlos oder vielleicht auch mit dem Ziel, das Kind "anzuspornen", ausgesprochen werden, können durchaus diesen Effekt haben - allerdings mit der "Nebenwirkung" einer Persönlichkeit, die sich ständig in Beweisnot wähnt. Zwischen Entmutigung und Ehrgeiz hin- und hergerissen entsteht der Wunsch, "es ihnen zu beweisen". (Schulz von Thun 1998: S.155 ff)

 

Der oder die Kommunikationspartner einer Person, die sich im sich-selbst-beweisenden Stil befindet, können leicht in Konkurrenz und damit ebenfalls in den sich-selbst-beweisenden Stil geraten: sie wollen mithalten.

Ein symmetrischer Teufelskreis entsteht, wenn in einer Gruppe Leute sind, die ebenfalls hohe Ansprüche an den eigenen Kompetenzerweis stellen und durch hochgescheite und "Maßstäbe setzende" Beiträge ein Klima von Konkurrenz und Beweisnot schaffen:
Eine solche Gesprächsatmosphäre wirkt entweder hektisch oder verkrampft und unlebendig. Keiner hört wirklich zu - es lohnt sich auch nicht, denn die "Selbstprofilierungen" der anderen bringen ja doch nichts Neues."