[11]Die
Adresse befindet sich auf der Rückseite des Faltbriefes,
ebenso
der Absender: "Ich muß es nochmals erinnern / Schreibet mir doch
wieder so bald wie es euch möglich ist und macht die Adreße.
M. Johann Heinrich Zur Oeveste er Mehemesburg mountgumry Couty Ohio".
Unter
der Anschrift befinden sich die Stempelaufdrucke "MIAMISBURG OCT 5" und
"PAID" und "PAYS D'OUTRE MER PAR LE HAVRE" (= aus Übersee über
Le Havre). Miamisburg im Montgomery County liegt 16 km südwestlich
von Dayton/Ohio.
[12] Seit 1818
verband die erste "Bundesstraße",
die National
Road, die Städte
Baltimore an der Ostküste und Wheeling am Ohio jenseits der Appalachen
und des Allegheny-Gebirges über eine Strecke von 450 km. Eine
Eisenbahnverbindung
gab es 1834 über 95 km bis Frederick. - Die "Gesellschaft" legte
täglich
ca. 30 km auf der "berüchtigten" Nationalstraße zurück.
Ludwig David von Schweinitz (vgl.
Anm. 41) hat sie 1831 "in einem beklagenswerten Verfall"
vorgefunden,
so daß "die Knochen der Reisenden auf dem furchtbar zerrissenen Weg
zerstossen" wurden. J. H. zur Oeveste ist zu Fuß gegangen. (Jordan;
Schweinitz 8f.; Tanner 12)
[13] Reber:
engl. river = Fluß. - Ca. 1.40 Dollar hatte er für die gut 350
Meilen (gut 560 km) zu zahlen, die auch billiger mit dem Segelschiff
oder
mit dem Flachboot (flatboat, 12 m lang), einem Holzkasten mit Hütte,
der am Ende der Reise häufig als Nutzholz verkauft wurde, zurückgelegt
werden konnten . - 1830 hatte Cincinnati 24831, im Jahre 1840 schon
46338
Einwohner. 1830 betrug der Anteil der Deutschen einschließlich ihrer
in den USA geborenen Kinder 5 %, 1840 aber schon 23 %. (Fleischhauer
26;
Ford 81, 90; Tanner 24f.; Tolzmann 5)
[14] Pastor
Lange aus Bramsche notierte für
April 1833 in seiner Auswandererliste "nach Amerika ... Kupen Biest's
Sohn
aus Rieste". - "B. Bieste, Farmer, Germany, 23, M", steht im 2.
Quartalsbericht
der Zollbehörde von Baltimore an das Außenministerium vom 1.
Juli 1833. Er dürfte Ende Mai/Anfang Juni an Land gegangen sein. (St.
Martin, Bramsche: Lange; NAMP: M 596, R. 2: 30. Juni 1833, Quarterly
Abstracts)
[15] Bis
Miamisburg betrug die Entfernung 54
Meilen (87 km), bis Dayton 68 Meilen (110 km). - Der Miami-Erie-Kanal
wurde Ende 1829 nach 4 Jahren Bauzeit erstmals bis Dayton befahren. Der
Kanal war 1.20 m tief und 12 m breit mit einer Grundbreite von 8.50 m.
Die Boote waren 21-24 m lang, 4,20 m breit und durften, gezogen von bis
zu 3 Maultieren oder Pferden, nicht schneller als 4 Meilen (6,43 km/h)
fahren. Frachtboote transportierten 45-65 Tonnen, Personenboote 50-75
Passagiere.
J. H. zur Oeveste dürfte ein Frachtboot mit 3 kleinen, vor allem der
Mannschaft und den Tieren dienenden Kabinen benutzt haben, für einen
Tarif von gut 1 Cent pro Meile. (Fleischhauer 24f; Gieck 4f., 35f.,
124f.,
288f.; Tanner 25)
[16] Pastor
Lange notierte für Juli 1833
als Auswanderer "nach Amerika": "24. Wilbrand Strüve aus Wackum geb.
1803 April 20. - Julius 1833 (Jul. 17); 25. Anna Marie Leymann aus
Achmer
Braut des vorigen geb. 1814. Dez. 18 im Jul. 1833 (Jul 17)". Am 29.
Juli
1833 verließen beide, der Sohn eines Colonen und die Tochter eines
Heuermanns, als "Henry Wilbrand (29) und Anna Maria Struve (19)", im
Zwischendeck
mit der "Phoenix" Bremerhaven. Am 10. September 1833 waren sie in
Baltimore.
- Im Taufregister der St. Martinskirche in Bramsche hat Pastor Lange
nachgetragen:
" ... ging nach Amerika d. 17. Julius 1833 mit seiner Verlobten Anna
Maria
Leymann". Das Taufregister der "Deutschen evangelisch-lutherischen und
reformierten St. Johannesgemeinde" in Cincinnati enthält die Geburt
der Tochter Anna Maria (23. Oktober 1834).
Beide besaßen aufgrund der "Verordnung über die Bestimmung
des Wohnorts der Unterthanen in polizeilicher Hinsicht" vom 6. Juli
1827
das "Recht zum bleibenden Aufenthalte" in ihren "Landgemeinden ...
durch
Geburt", benötigten aber einen "obrigkeitlichen Trauschein" zur Vorlage
beim Pfarrer, so daß "kein Zweifel obwalten" konnte "über die
Befugnis zur bleibenden Niederlassung der zu Copulierenden an einem
bestimmten
Orte, sowie über deren Vermögens-Umstände, um ihnen und
ihrer Familie ein hinreichendes Auskommen zu gewähren". Letzteres
war nicht gewährleistet, wenn sie kein Colonat übernahmen und
keine (kleine) Neubauern- oder keine Heuerstelle wollten oder fanden.
"Gesinde"
hatte kein "hinreichendes" Einkommen. Und das "Recht zum bleibenden
Aufenthalte"
in fremden Gemeinden, Flecken und Städten verlangte, "daß er
Arbeit gefunden, welches er glaubhaft nachweisen muß. Außerdem
muß derselbe eine Wohnung gefunden haben." Von beidem gab es zu wenig;
die Verlobten Struve/Leymann gehörten zu den ersten, die aus der
Landdrostei
Osnabrück nach Amerika gingen.
Erst am 31. Januar 1854 regelte die Landdrostei Osnabrück die
Eheschließung auswandernder Paare ohne "obrigkeitlichen Trauschein",
um das "Eingehen einer bürgerlichen Ehe vor dem Amerikanischen Consul
zu Bremen oder (das) Zusammenleben in wilder Ehe" zu verhindern. Die
"Obrigkeiten"
wurden angewiesen, Trauscheine "ohne Rücksicht auf die sonstigen
Trauscheinerfordernisse"
auszustellen, sofern hinreichende Gewißheit über die Auswanderung
bestehe. Die Trauung sei "nur am Hafenorte kurz vor der Abfahrt zu
gestatten".
Das Amt Schledehausen hatte schon am 5. und 18. Februar 1853
vorgetragen,
die Trauungen müßten "auf dem Schiffe, unmittelbar vor dem Abgange
desselben, vorgenommen" werden, und die Schiffseigner seien dafür
verantwortlich zu machen, "daß sie die kopulierten Auswanderer vor
der Abreise nicht wieder ans Land gehen lassen".
(Kiel 141ff.; St. Martin, Bramsche: Kirchenbücher, Lange;
NAMP:
M 255, R. 1;Norddeutsche Lutherische Kirche, Cincinnati; Kirchenbücher;
Sammlung 1827 I, 69-76, II, 91-99; StOs: Rep 35 Osn, 1107)
[17] Es handelt
sich um eine Whiskey-Brennerei
(engl. distillery). - Bahs: vgl. niederdeutsch Baas = der Meister, der
Beste; engl. boss = Chef.
[18] 6,5 km.
[19] Die
Bezeichnungen "Taler" und "Dollar"
haben ihren gemeinsamen Ursprung in der "Joachimsthaler" Silbermünze,
die nach großen Silberfunden im böhmischen Erzgebirge zu Beginn
des 16. Jahrhunderts in Europa sehr verbreitet war. Die niederdeutsche
Aussprache ("Daaler") ist mit der des amerikanischen Dollar nahezu
identisch
(1 Dollar = 96 Grote, Bremer Münze: sie entsprachen 1 Taler 2
Gutegroschen).
- Gottfried Weber aus Barenau bei Engter hat im Sommer 1834 ebenfalls
am
Kanal gearbeitet, in Fort Wayne/Indiana. Er hat im Monat 20 Dollar
verdient:
"Des Morgens ging es mit der Sonnen auf gang bis 7 Uhr den Krichten
Schwarzen
Kaffe mit Schweinefisch des Morgens und des Mittag Schwein Supe und
Schweinefisch
und es Abend und so alle Tage und so Salz das ma kaum geniebar war und
den oben drauf Schlecht Waßer zum Trinken und das Machte die Leute
Krank und kein Katofeln." (Familie Igel: Weber 25f.)
[20]
Welschkorn, Türkischer Weizen = Mais;
"welsch" meint: lateinisch, romanisch, französisch, fremdländisch,
unverständlich.
[21]
Pennsylvania, "Penn's Waldland", wurde
1681 von der britischen Krone dem Quäker William Penn (1644-1718)
überlassen, als Ausgleich für die von seinem Vater, Sir William
Penn, erhobenen Schuldforderungen an die Regierung. "Penn's Waldland"
wurde
1683 zunächst für 13 deutsch-niederländische Familien aus
Krefeld (Quäker, Mennoniten) Zuflucht. Glaubensbrüder, auch Amische
und Herrenhuter, folgten, um sich den Ansprüchen und Pressionen der
europäischen Staats- und Amtskirchen zu entziehen. Es folgten nach
Deutschland geflohene französische Hugenotten und Protestanten aus
Österreich und aus der Schweiz, schließlich auch
"Wirtschaftsflüchtlinge".
Sie kamen aus der Pfalz und aus Schwaben, aus Baden und Hessen, aus
Schlesien
und aus Westfalen. Diese "ethnische Mixtur" war schon im 19.
Jahrhundert
zur Kultur der "Pennsylvania Dutch" verschmolzen. Ende des 18.
Jahrhunderts
machten sie ein Drittel der Bevölkerung von Pennsylvania aus. (Yoder)
[22] Im Jahre
1803 war Ohio 17. Staat der USA
geworden. Die Miami-Indianer, die im heutigen nördlichen Indiana und
nordwestlich vom heutigen Dayton lebten, wurden 1782 auf ihr westliches
Siedlungsgebiet zusammengedrängt. Die Shawnees, die schon aus Carolina
und Georgia von den Weißen vertrieben worden waren, besetzten das
Land um Wapakoneta, Auglaize County. 1795 begann deren vertragsgemäße
Umsiedlung an den Missouri. Die letzten verließen das Gebiet im Jahre
1832.
Vergleiche das Stichwort
"Indianer".
(Fleischhauer 20; Josephy 642-689; Prucha)
[23] Im
Osnabrücker Nordland war nur noch
2 % der Gesamtfläche mit Wald bedeckt. Bauholz aus den
gemeinschaftlichen
Bauerschaftsmarken wurde zugeteilt, sofern der eigene meist
geringfügige
Hofwald geschont werden sollte oder der Grundherr die Nutzung
untersagte.
Bis zur Jahrhundertwende (1800) hatten vermehrter Gras-Plaggenstich zur
Düngung des Ackerlandes, Vieheintrieb und zunehmende Holzentnahme
Markengesetze weitgehend unwirksam werden lassen und ihre Übertretung
erleichtert. Verheidung führte im 18. Jahrhundert zu verstärkter
Schafhaltung und diese wiederum zum endgültigen Verbiß der
nachwachsenden
Baumtriebe und Setzlinge. Johann Gottfried Hoche sah 1798/99
"Sanddünen,
mit welchen der Wind spielt, besonders von Ankum aus über Börstel
nach der Münsterschen Grenze zu" und auf dem Weg von Ankum nach
Bramsche
"über eine große Fläche hinaus, deren Hintergrund zwar
Haide und Sand ist, allein die Entfernung spielt dem Auge einen
optischen
Betrug, und hat es die Gegenden selbst nicht in der Nähe gesehen,
so glaubt es auf den schönsten Gefilden zu sein". Vgl.
Anm. 240. (Dobelmann 89-101; Frommeyer 25; Hoche 33f., 69,
463f.)
[24] Diese
Bemerkung bezieht sich auf die ständischen
Unterschiede und Abhängigkeiten, in denen auch J. H. zur Oeveste
aufgewachsen
ist (vgl.
Anm. 68).
[25]
Wapakoneta, 108 km nördlich Dayton,
Verwaltungssitz des Auglaize County, war bis 1832 Versammlungsort der
Shawnee-Indianer.
- Neu Bremen, 35 km südwestlich von Wapakoneta, war im Juni 1833 von
einer Siedlungsgesellschaft gegründet worden, zu der sich 33
lutherische
Siedler vor allem aus dem Königreich Hannover ein Jahr zuvor in
Cincinnati
zusammengeschlossen hatten. - Franz Josef Stallo (1793-1833) hat mit
Einwanderern
aus dem katholischen Oldenbürger Münsterland 1832 von Cincinnati
aus "Stallo's Town" gegründet. Die Siedlung an der Trasse des Miami-Erie-Kanals
wurde 1836, zwei Jahre nach seinem Choleratod, in Minster (Münster)
umbenannt.
F.J. Stallo wurde in den "Oldenburgischen Blättern" erstmals
am
1. Mai 1832 erwähnt: sein "Brief ... aus Cincinnati ... mag viel zur
Beförderung der Auswanderung bey tragen". Heinrich Arminius Rattermann
(1832-1923) aus Ankum, Tischler, Versicherungseigentümer in Cincinnati,
Schriftsteller und Redakteur des dortigen "Deutschen Pionier"
(1870-1890),
hat ihn 1875 einen "Agitator der Auswanderung" genannt, der das "Lied
aus
Amerika" (49 Strophen) "illegal gedruckt und verbreitet habe".
Gottfried
Weber (1803-1890) aus Barenau bei Engter (vgl.
Anm. 19), hatte das Gedicht im "Deutschen Pionierverein von
Cincinnati
und Umgebung" vorgetragen. Er mag den Text abgeschrieben, J.H. zur
Oeveste
den Brief von Franz Josef Stallo und auch das Gedicht gekannt haben
(vgl.
in der Einleitung: "Ein
49 Vers
starkes Gedicht"). Von "mehrmonatlicher Inhaftierung" haben
aber weder
die "Oldenburgische(n) Anzeigen" noch die "Osnabrücker Mitteilungen"
berichtet, und das "Lied" wurde erst im Frühjahr 1833 verbreitet.
Im Staatsarchiv Oldenburg befinden sich keine Unterlagen. Im
"Sonntagsblatt",
das in Vechta erschien, wurde der Tod des Franz Josef Stallo am 16.
August
1834 nur beiläufig erwähnt.
(Fleischhauer 28f.; Hoying; Moltmann 1992; Oldenburgische
Blätter;
Sonntagsblatt; Familie Igel: Weber)
[26]
Unerschlossenes Regierungsland konnte im
staatlichen Verkaufsbüro seit 1820 für 1.25 Dollar pro acre (0,404
ha) gekauft werden. Besonders gutes und verkehrsgünstig gelegenes
Land wurde allerdings zu Beginn der jeweiligen regionalen
Verkaufsaktionen
teurer (5-20 Dollar) versteigert. (Kutzschera 105; Duden 53)
[27] Vgl.
franz. recommander = empfehlen.
[28] Johann
Christian Friedrich zur Oeveste
wurde am 31. Januar 1807 als 4. Kind geboren. Nach der Geburt des
letzten
(8.) Kindes, der Tochter Margarethe Marie (10. Januar 1818), stand ihm
als jüngstem Sohn nach dem Osnabrücker "Dismembrierungsverbot"
(Erbteilungsverbot) von 1618 und der Eigentumsordnung von 1722
(Erbfolge)
das alleinige Erbe der Hofstelle zu. Am 1. Dezember 1827 ist er als
"Geworbener"
dem "Königlich Hannoverschen Artillerie Regiment" beigetreten, und
am 30. April 1834 wurde er, nachdem er "treu und redlich gedient, ...
auf
sein Ersuchen" als "Bombardier" verabschiedet.
5 Monate über die sechsjährige Dienstzeit hinaus ist er bei der
Armee gewesen. 2 Monate, nachdem J. H. zur Oeveste das Elternhaus
verlassen
hatte, ist Johann Christian Friedrich dorthin zurückgekehrt. (StH:
48a I, Nr. 965/966; Familie Schütte: Entlassungsurkunde; Sammlung
1820, Erste Abt., 105; Schneider 24f.)