Konzept und Ziele

1. Warum eine Arbeitsstelle „Regionale Geschichtskulturen“?

Geschichtskultur ist en vogue. Die Zahl der Forschungen zur Geschichts-, Vergangenheits- oder Erinnerungspolitik, zum Umgang mit Geschichte in Medien und Museen, in Vereinen oder in Form von Denkmälern, in Wissenschaft und Werbung ist mittlerweile unübersehbar. Trotzdem finden sich noch zahlreiche weiße Flecken auf der geschichtskulturellen Landkarte. Diese Leerstellen sind umso erstaunlicher, als sie besonders naheliegend sind – und zwar im eigentlichen Wortsinne. Der Umgang mit Geschichte in Dörfern, Städten und Regionen ist bislang noch wenig erforscht.
Dabei zeigen erste Studien die Fruchtbarkeit von Forschungen „vor Ort“. Regionale Geschichtskulturen machen in besonderem Maße aufmerksam für Formen, Funktionen und Folgen des gesellschaftlichen Umgangs mit Geschichte. Regionale Geschichtskulturen bieten Einblicke in den soziokulturellen Kontext von Geschichtsbildern, sie eröffnen biographische Hintergründe einzelner Akteure und Bedürfnisse der Rezipienten. Im Regionalen lassen sich zudem Wechselwirkungen zwischen Individuum und Gruppe untersuchen, hier wird der Umgang mit Geschichte als sozialer Aushandlungsprozess von Geschichtsbewusstsein konkret fassbar.
Regionale Geschichtskulturen erlauben zudem Längsschnittstudien, an denen Entwicklungen des Umgangs mit Geschichte nachvollziehbar werden. Sie eröffnen damit Gelegenheiten, scheinbare Zäsuren aufzubrechen und nach den Erfahrungs- und Mentalitätsgeschichten in ihrer longue durée zu fragen. Und nicht zuletzt erlaubt die regionale Perspektive Vergleichsstudien und beziehungsgeschichtliche Arbeiten, sowohl auf nationaler wie auf europäischer und globaler Ebene. Hier liegt auch eine Chance, einer „Glokalisierung“ des Geschichtsbewusstseins, den wechselseitigen Einflüssen globaler Geschichtsbilder, Deutungsmuster und Symbole in Fallstudien nachzuspüren.

2. Schwerpunkte und Ziele der Arbeitsstelle „Regionale Geschichtskulturen“

Die Arbeitsstelle möchte Forschungen zu regionalen Geschichtskulturen in Europa ein Forum bieten. Das schließt Qualifikationsarbeiten zu Vereinen, Gemeinden, Städten, Landschaften und Regionen ebenso ein wie Bachelor- und Masterarbeiten. Dem weiten Raumbegriff entspricht die methodische Vielfalt, die von der Arbeitsstelle gefördert werden soll. Neben geschichtswissenschaftlichen Studien ist ein Austausch mit den Literatur- und Medienwissenschaften, der Anthropologie und Ethnologie, den Sozial- und Politikwissenschaften erwünscht. Obgleich der Forschungsschwerpunkt im 19. und 20. Jahrhundert liegt, ist die Arbeitsstelle offen für Studien zu anderen Epochen.
Die Tätigkeiten der Arbeitsstelle reichen vom Austausch in Arbeitstreffen über Vortragsreihen und Workshops bis zu Konferenzen, mit denen sowohl „work in progress“ präsentiert als auch die Theoriebildung zur Geschichtskultur vorangetrieben werden soll. Schwerpunkt dieses Austausches ist einerseits die Oldenburger Universität, an der bereits wichtige Studien in Arbeit oder in Planung sind. Die Arbeitsstelle kann hier also eine koordinierende Funktion übernehmen und die inneruniversitäre Zusammenarbeit intensivieren. Zweitens soll die Kooperation zwischen Oldenburg und der scientific community ausgeweitet werden. Für diese Zusammenarbeit bestehen bereits Kooperationsbeziehungen.

3. Einbindung der Arbeitsstelle im Institut für Geschichte und in der Fakultät

Die Arbeitsstelle leistet in der Forschung einen Beitrag zur Entwicklung des Fakultätsprofils im Schwerpunkt „Zeiten, Erinnerungen, Entwürfe“ und des Institutsprofils, insbesondere in der Geschichtsdidaktik (Schwerpunkt „Untersuchungen zur Produktion und Distribution historischen Wissens“) und im 19. und 20. Jahrhundert. Auch Kooperationen mit neuen Forschungen zu Geschichtskulturen anderer Epochen sind dabei vorgesehen. Bezüge bestehen zudem zu geschichtsdidaktischen Überlegungen zur Integration geschichtskultureller Phänomene in historische Lehr-/Lernprozesse in Forschung (vgl. Dietmar von Reeken: Geschichtskultur im Geschichtsunterricht, in: GWU 55, 2004, S. 233-240), universitärer Lehre und Lehrerfortbildung sowie zu den Aktivitäten zur Unterstützung und Begleitung geschichtskultureller Institutionen (Museen, Gedenkstätten, Geschichtsvereine etc.) in der Region. In der Lehre des Instituts für Geschichte können insbesondere die Module AM 6 (Geschichtskultur) und PB 71 (Institutionen und Medien der Geschichtskultur) durch die Forschungen der Arbeitsstelle weiter profiliert werden.

(Stand: 19.01.2024)  | 
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