Uran-Munition

Uran-Munition

Information über Uran-Munition (Depleted Uranium, DU)

Mit diesem Text wollen wir einige Sachinformationen zum Thema Uran-Munition (Uran-Geschosse, Depleted Uranium, DU) liefern. Dabei stehen nicht militärische Aspekte im Vordergrund. Vielmehr geht es um Fragen einer möglichen Gesundheitsgefährdung von Menschen, die sich an Orten aufhalten oder aufgehalten haben, an denen Uran-Munition verwendet wurde.

Nach einigen Angaben zur Funktion, zur Wirkung und zum bisherigen Einsatz von Uran-Munition werden physikalische, chemische und strahlenbiologische Grundlagen dargestellt, die bei der Beurteilung möglicher Gesundheitsgefährdungen durch Uran helfen können.

1. Was ist und wie wirkt Uran-Munition?

Ein Geschoss soll ein Ziel zerstören. Enthält das Geschoss ein Material hoher Dichte, beruht seine zerstörerische Wirkung (seine Durchschlagskraft) zum großen Teil auf seiner Bewegungsenergie (kinetische Energie). Diese Energie kann dann besonders wirkungsvoll auf das Ziel übertragen werden, wenn der Druck (die Kraft pro Fläche) beim Aufprall des Geschosses möglichst groß ist. Das erreicht man durch schnelle Geschosse aus Materialien mit möglichst großer Dichte, wie Uran, dessen Dichte ca. 70 % größer ist als die von Blei.

Trifft ein Uran-Geschoss auf ein Ziel wie z.B. einen Panzer, wird die Bewegungsenergie des Geschosses zum überwiegenden Teil in Wärmeenergie umgewandelt. Dies führt zu großer Hitzeentwicklung. Neben der mechanischen Zerstörung in der Umgebung des Treffers durch die Durchschlagskraft (Penetrationskraft, daher der englische Begriff „penetrator“) des Geschosses geraten Treibstoff und Munition des Panzers in Brand und er wird unbrauchbar. Die beim Einschlag entstehenden Temperaturen und Kräfte sind so hoch, dass das Geschoss schmilzt und z.T. zerstäubt. Der entstehende Uranstaub entzündet sich aufgrund seiner pyrophoren Eigenschaft und verstärkt den Zerstörungseffekt des Geschosses. Damit ist das militärische Ziel des Geschosses erreicht.

Uran-Geschosse hinterlassen aber noch einen Nebeneffekt. Durch das Schmelzen, Zerstäuben und Entzünden des Urans entstehen Uranpartikel und Uranoxide, die als Schwebteilchen (Aerosole) und Stäube in die Umgebungsluft gelangen. Menschen, die sich am Ort der Einschläge aufhalten, atmen diese Teilchen und Stäube ein oder nehmen sie mit der Nahrung auf. Da Uran immer radioaktiv ist, sind es auch die Aerosole und Stäube. Folglich sind die betroffenen Menschen neben der chemischen Belastung durch das Schwermetall Uran einer zusätzlichen Belastung durch radioaktive Strahlung ausgesetzt. Beides kann je nach aufgenommener Uran-Menge zu einer Erkrankung führen.

2. Einsatz von Uran-Munition

Nach NATO-Angaben wurde Uran-Munition im Golfkrieg und auf dem Balkan eingesetzt; auch im Irak-Krieg im Jahre 2003 kam Uran-Munition zum Einsatz. Informationen des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums zufolge wurde im Golfkrieg von verschiedenen Waffensystemen eine Uran-Menge von insgesamt etwa 330 Tonnen verschossen. Der größte Teil davon stammte aus der „GAU-8“ Bordkanone (Kaliber 30 mm) des US-Kampfflugzeugs „A-10“: ca. 784.000 Geschosse mit insgesamt ca. 230 Tonnen Uran.

Nach Angaben aus dem deutschen Verteidigungsministerium wurden von demselben Kampfflugzeug im Kosovo 31.000 Uran-Geschosse und in Bosnien/Herzegowina 10.800 Uran-Geschosse abgefeuert. Dies entspricht einer Uran-Menge von ca. 11,5 Tonnen.

Hier sind Abbildungen des Kampfflugzeugs „A-10“, der Bordkanone „GAU-8“ (Kaliber 30 mm) und des Uran-Geschosses (GAU-8 Munition, Typ PGU-14/B) zu finden. Die Gesamtlänge des Geschosses einschließlich des hinteren Treibsatzes beträgt ca. 29 cm, seine Gesamtmasse ca. 0,69 kg. Der Uran-Kern befindet sich im vorderen Teil des Geschosses, dem eigentlichen Projektil von ca. 14,5 cm Länge und ca. 1,5 cm Durchmesser, und hat eine Masse von ca. 0,27 kg. Die Mündungsgeschwindigkeit des Projektils beträgt ca. 1.010 m/s, entsprechend ca. 3.640 km/h.

In den betroffenen Gebieten sind durch den Einsatz von Uran-Munition erhebliche Mengen von Uranstäuben und Uran-haltigen Aerosolen entstanden, die durch Aufwirbelung immer wieder in die Umgebungsluft gelangen und somit eine Gefahr für sich dort aufhaltende Menschen bilden können. Eine mögliche Gefährdung durch die Strahlung von auf dem Boden abgelagertem Uran oder von dort liegenden Blindgängern ist demgegenüber vernachlässigbar.

3. Physikalische, chemische und strahlenbiologische Aspekte von Uran-Munition

3.1 Vorkommen von Uran und natürlicher Urangehalt im Menschen

Uran (chemisches Zeichen: U) ist ein Schwermetall und ein natürlicher Bestandteil der Erdkruste. Seine Häufigkeit beträgt etwa 2,3 Gramm/Tonne (= 2,3 g/1000 kg, entsprechend 2,3 ppm (parts per million = Teile pro Million)). Dies hat zur Folge, dass Luft, Trinkwasser, Böden und Nahrungsmittel Spuren von natürlichem Uran enthalten. Die mittlere Urankonzentration in der Luft beträgt etwa 0,04 ng/m3 (0,04 Milliardstel Gramm pro Kubikmeter). Bei einer mittleren täglichen Atemrate eines Erwachsenen von ca. 20 m3 Luft/Tag gelangen daher etwa 0,8 ng (Nanogramm; Milliardstel Gramm) Uran pro Tag über die Atmung in den Körper. Mit Nahrung und Trinkwasser nimmt ein Erwachsener je nach Ernährungsgewohnheiten und Region täglich etwa 1 µg bis 4 µg (Mikrogramm; Millionstel Gramm) Uran zu sich. Davon wird ein erheblicher Teil mit dem Kot wieder ausgeschieden, nur ein kleiner Teil wird vom Körper aufgenommen (absorbiert). Im Ergebnis ergibt sich ein mittlerer Uran-Gehalt im Körper eines Erwachsenen von ca. 30 µg bis 60 µg.

3.2 Isotopenzusammensetzung

Natürliches Uran ist das in der Natur vorkommende Uran. Es ist ein Gemisch verschiedener Uranisotope. Es besteht zu 99,28 % aus Uran-238, zu 0,72 % aus Uran-235 und enthält Spuren von Uran-234 (0,0054 %).

Abgereichertes Uran (Depleted Uranium, DU) ist ein Abfallprodukt aus der Herstellung von Kernbrennstoff für Atomkraftwerke. Es besteht typischerweise zu 99,8 % aus Uran-238 und zu 0,2 % aus Uran-235 und enthält praktisch kein Uran-234 mehr. Wird es nicht aus natürlichem Uran, sondern aus abgebrannten Brennelementen von Atomkraftwerken gewonnen, kann es auch Spuren von Plutonium-239 enthalten.

Angereichertes Uran wird in Atomkraftwerken (AKW) eingesetzt. Es wird dort benötigt, um eine Kettenreaktion aufrecht erhalten zu können. Durch die Anreicherung (physikalischer Prozess) wird der Anteil an Uran-235 gegenüber dem natürlichen Uran erhöht. Angereichertes Uran für Atomkraftwerke besteht zu etwa 3 % aus U-235 und zu etwa 97 % aus U-238. - In Atombomben wird stark angreichertes Uran eingesetzt. Dort beträgt der Anteil an Uran-235 ca. 90 %.

 

Anteil
Uran-238

Anteil
Uran-235

Anteil
Uran-234

Natürliches
Uran

99,28 %

0,72 %

0,0054 %

Abgereichertes
Uran (DU)

99,8 %

0,2 %

~ 0 %

Angereichertes
Uran (AKW)

97 %

3 %

 

Angereichertes
Uran (A-Bombe)

 

~90 %

 

3.3 Physikalische Eigenschaften von Uran; Uranlegierung "U-3/4Ti"

Uran ist ein silberweißes, weiches Metall. Sein Schmelzpunkt liegt bei ca. 1130 °C, sein Siedepunkt bei ca. 3930 °C. Wegen seiner großen Dichte von ca. 19 g/cm3 zählt es zu den Schwermetallen. Zum Vergleich: die Dichte von Wasser beträgt 1 g/cm3, die von Eisen 7,9 g/cm3 und die von Blei 11,3 g/cm3. Eine Literflasche gefüllt mit Wasser wiegt demnach 1 kg und gefüllt mit Uran 19 kg.

Die hohe Dichte von Uran ist der Grund für den Einsatz in Geschossen: Sie haben bei gleicher Größe (gleichem Kaliber) wie konventionelle Munition eine erheblich höhere Masse und damit auch eine erheblich größere Durchschlagskraft. Die Durchschlagskraft wird zusätzlich durch Härtung des Materials erhöht, die man durch Zusatz geringer Mengen Titan erreichen kann. In Uran-Geschossen kommt daher vorwiegend die Uran-Legierung „U-3/4Ti“ zum Einsatz, die etwa ¾ Gewichtsprozent Titan enthält.

Uran gehört zu den Actinoiden. Hierunter versteht man alle Elemente mit Ordnungszahlen zwischen 89 (Actinium) und 102 (Nobelium), wobei nur die Elemente bis zur Ordnungszahl 92 (Uran) in der Natur in nennenswerter Menge vorkommen. Alle Actinoide sind Metalle und radioaktiv. Die wichtigsten Vertreter der Actinoide, nämlich Thorium-232, Uran-235, Uran-238 und Plutonium-239, sind Alpha-(α)-Strahler. Bei ihrem radioaktiven Zerfall wird also immer α-Strahlung freigesetzt; zusätzlich entsteht in geringem Umfang Gamma-(γ)-Strahlung.

In fein verteiltem Zustand (Stäube) sind Actinoide pyrophor, d.h. an der Luft selbstentzündlich.

Die physikalische Halbwertszeit eines radioaktiven Stoffes gibt an, innerhalb welcher Zeit seine Radioaktivität auf die Hälfte abgenommen hat. Die Aktivität wird in Becquerel (Bq) angegeben. Ein Becquerel entspricht einem radioaktiven Zerfall pro Sekunde. Eng verknüpft mit der Halbwertszeit eines Stoffes ist seine spezifische Aktivität. Sie gibt an, welche Aktivität eine Stoffmenge von 1 g aufweist, d.h. wie viel radioaktive Zerfälle pro Sekunde in 1 g des Stoffes stattfinden. Je kürzer die Halbwertszeit, desto größer die spezifische Aktivität. Die folgende Tabelle enthält einige Beispiele für verschiedene Uranisotope, Uranisotopengemische sowie für zwei Isotope von Plutonium und Thorium.

 

Halbwertszeit
in Jahren

Spezifische Aktivität
in
Becquerel pro
Gramm (Bq/g)

Uran-238

4.468.000.000

12.450

Uran-235

703.800.000

80.040

Uran-234

245.500

230.410.000

Natürliches
Uran

 

25.380

Abgereichertes
Uran (DU)
(für 0 % Uran-234)

 

12.580

Plutonium-239

24.110

2.307.900.000

Thorium-232

14.050.000.000

4.060

3.4 Uranverbindungen, Stäube, Aerosole

Zu den wichtigsten Uranverbindungen zählen seine Oxide: das gelbe UO3, das braunschwarze UO2 und das grünschwarze U3O8. Außerdem das farblose Uranhexafluorid (UF6), das im Anreicherungsverfahren benutzt wird.

Trifft ein Uran-Geschoss auf ein Ziel, wird der überwiegende Teil seiner Bewegungsenergie (kinetische Energie) in Wärmeenergie umgesetzt. Dadurch schmilzt bzw. zerstäubt das Geschoss und es entstehen Uranpartikel und Uranoxide. Diese bilden Stäube oder kleine Partikel (Aerosole), die in die Umgebungsluft gelangen und von Menschen, die sich in der Umgebung aufhalten, eingeatmet oder mit der Nahrung aufgenommen werden können.

3.5 Gesundheitliche (physiologische) Wirkung von Uran

3.5.1 Chemisch-toxische Wirkung

Unter der chemisch-toxischen Wirkung eines Stoffes versteht man die gesundheitsschädigende Wirkung, die auf seinen chemischen Eigenschaften beruhen. Uran ist wie Blei, Cadmium, Quecksilber oder Plutonium ein Schwermetall. Schwermetalle und ihre Verbindungen sind giftig. Insbesondere treten Nieren- und Leberschädigungen auf.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt für die Uranaufnahme mit Nahrung und Trinkwasser eine Begrenzung auf 0,5 μg pro Kilogramm Körpergewicht und Tag; bei 70 kg Körpergewicht also ca. 35 μg pro Tag. Die tatsächliche durchschnittliche Uranaufnahme liegt je nach Region und Ernährungsgewohnheiten bei etwa (1 – 4) μg pro Tag.

3.5.2 Radio-toxische Wirkung

Unter der radio-toxischen Wirkung eines Stoffes versteht man die gesundheitsschädigende Wirkung der radioaktiven Strahlung, die der Stoff freisetzt. Radioaktive Strahlung ist eine ionisierende Strahlung, weil sie Atome und Moleküle im Körper ionisieren, d.h. ihnen elektrische Ladung entreißen kann. Auf dieser Ionisation sowie auf der Bildung von Radikalen (Zerlegung von Wasser in die chemisch besonders aggressiven Bestandteile H und OH) beruht die schädigende Wirkung radioaktiver Strahlung, die sich im Endeffekt in Zellveränderungen äußert. Die Schädigung ist umso größer, je größer die vom Körper aufgenommene Strahlendosis ist. Die wiederum ist vor allem durch den Quotienten (absorbierte Strahlungsenergie) : (absorbierende Masse) gegeben.

Die radio-toxische Wirkung von Uran-238, dem Hauptbestandteil von abgereichertem Uran, beruht vor allem auf dessen α-Strahlung. Die radio-toxische Wirkung ist bei gleicher Aktivitätsmenge vergleichbar mit der radio-toxischen Wirkung von Plutonium-239 oder anderen radioaktiven Schwermetallen mit α-Zerfall wie z. B. Radium-226 oder Thorium-232.

Bei hoher spezifischer Aktivität, wie z.B. bei Plutonium-239, stellt die radio-toxische Wirkung die hauptsächliche Gefährdung dar; die chemische Toxizität ist demgegenüber vernachlässigbar. Bei kleiner spezifischer Aktivität, wie z.B. bei Uran-238, muss neben der radio-toxischen auch die chemisch-toxische Wirkung berücksichtigt werden.

Für die Beurteilung der radio-toxischen Wirkung von α-Strahlung muss zwischen äußerer (externer) und innerer (interner) Strahlenbelastung unterschieden werden.

3.5.2.1 Externe Strahlenbelastung

Eine externe Strahlenbelastung liegt vor, wenn ein Mensch sich in der Nähe eines radioaktiven Stoffes aufhält und die radioaktive Strahlung von außen auf ihn einwirkt. Da α-Strahlung leicht abgeschirmt werden kann und deshalb selbst in Luft nur eine Reichweite von einigen Zentimetern hat, spielt die externe Strahlenbelastung durch Uran-238 nur eine untergeordnete Rolle. Dies ist anders bei β- und γ-Strahlern, da β- und vor allem γ-Strahlung eine erheblich größere Reichweite haben. Lagert sich beispielsweise ein radioaktiver Stoff auf dem Boden ab, so ist bei gleicher Bodenaktivität (angegeben in Becquerel pro Quadratmeter, Bq/m2) und gleicher Einwirkungszeit auf den Menschen die externe Strahlenbelastung durch Uran-238 etwa 1.000 mal kleiner als die durch den β- und γ-Strahler Cäsium-137, der in großer Menge durch den Tschernobyl-Unfall freigesetzt wurde.

3.5.2.2 Interne Strahlenbelastung

Eine interne Strahlenbelastung liegt vor, wenn ein Mensch eine radioaktive Substanz in seinen Körper aufgenommen hat (Inkorporation). Dann wird die radioaktive Strahlung im Körper freigesetzt. Die Aufnahme radioaktiver Substanzen erfolgt vor allem mit der Atemluft (Inhalation) und Nahrung und Trinkwasser (Ingestion).

Mit Nahrung und Trinkwasser aufgenommene radioaktive Substanzen gelangen je nach Löslichkeit über den Magen-Darmtrakt ins Blut und können sich so im Körper verteilen.

Mit der Atemluft aufgenommene radioaktive Substanzen bleiben je nach Teilchengröße zunächst in den Atemwegen (Bronchien, Lunge) hängen, von wo aus sie, wieder je nach Löslichkeit, ebenfalls ins Blut übergehen.

Im Falle von α-Strahlern wie Uran-238 oder Plutonium-239 ist die interne Strahlenbelastung die dominante Quelle für die Strahlendosis. So ist z.B. bei gleicher eingeatmeter Aktivitätsmenge (angegeben in Becquerel, Bq) die Strahlendosis durch Uran-238 etwa 3.700 mal größer als die durch den β- und γ-Strahler Cäsium-137. Ein wesentlicher Grund dafür ist einfach zu verstehen: Die Strahlendosis (angegeben in Sievert, Sv) hängt vor allem vom Quotienten [absorbierte Strahlungsenergie E] : [absorbierende Masse m] ab. Da α-Strahlen eine hohe Energie (einige MeV) und gleichzeitig in Gewebe eine kleine Reichweite (einige 10 µm) haben, wird viel Energie in kleinen Gewebebereichen absorbiert. Der Quotient E:m und damit die Strahlendosis ist also groß.

Die Strahlendosis und damit das Risiko einer durch Strahlung ausgelösten (strahleninduzierten) Krebs- oder Leukämieerkrankung oder eines Erbgutschadens nimmt mit der Dauer der Strahleneinwirkung zu. Je länger eine radioaktive Substanz im Körper verweilt, desto mehr Strahlungsenergie wird vom Gewebe aufgenommen, desto höher also die Strahlendosis. Da bei den hier besprochenen α-Strahlern die physikalische Halbwertszeit im Vergleich zur Lebenserwartung eines Menschen sehr groß ist (für Uran-238 ca. 4,5 Milliarden Jahre), ist von entscheidender Bedeutung, wie lang die sogenannte biologische Halbwertszeit der aufgenommen Substanz ist. Dies ist die Zeit, innerhalb derer die Hälfte einer einmal aufgenommenen Stoffmenge vom Körper wieder ausgeschieden wird (vor allem mit dem Urin). Sie hängt ganz entscheidend davon ab, auf welchem Wege (Atmung oder Ingestion), in welcher chemischen Form (bestimmt die Löslichkeit) und in welcher physikalischen Form (Partikelgröße) der Stoff aufgenommen wurde. Für die verschiedenen Aufnahmewege und -arten liegen die biologischen Halbwertszeiten von Uran im Bereich von einigen Tagen bis zu einigen Jahren. Die Strahlung kann also unter Umständen sehr lange auf den Organismus einwirken.

Alle genannten Aspekte fließen ein in die Ermittlung der sogenannten Dosisfaktoren. Mit Hilfe dieser Dosisfaktoren kann ausgerechnet werden, zu welcher Strahlendosis (angeben in Sievert) eine einmal vom Körper aufgenommene Radioaktivitätsmenge (angegeben in Becquerel) im Laufe eines Lebens führen wird (sogenannte 50-Jahre-Folgedosis bei Erwachsenen bzw. 70-Jahre-Folgedosis bei Kindern).

Als erste Faustregel kann man festhalten, dass die Dosisfaktoren für strahlenbiologisch bedeutsame α-Strahler wie Uran-238, Uran-235, Plutonium-239, Radium-226 oder Thorium-232 alle in der gleichen Größenordnung liegen. Insofern ist also eine bestimmte Aktivitätsmenge Uran-238 ähnlich gesundheitsschädigend wie eine gleiche Aktivitätsmenge Plutonium-239. Dass Plutonium-239 dennoch vielfach als „besonders gefährlich“ oder gar als „giftigster Stoff“ beschrieben wird, hat seine Ursache in der spezifischen Aktivität. Die ist für Plutonium-239 etwa 180.000 mal größer als für Uran-238 (siehe Tabelle in diesem Abschnitt), was vor allem an der mit 24.000 Jahren etwa 185.000 mal kürzeren Halbwertszeit gegenüber der des Uran-238 liegt. In einer bestimmten Masse Plutonium-239 finden demnach etwa 180.000-mal mehr radioaktive Zerfälle pro Sekunde statt, als in einer gleich großen Masse Uran-238.

Es reicht daher bereits das Einatmen der winzigen Masse von rund 40 Nanogramm (40 ng, 40 Milliardstel Gramm) Plutonium-239 aus, um den nach der Strahlenschutzverordnung für beruflich Strahlenexponierte zugelassenen Grenzwert der Jahres-Aktivitätszufuhr für Inhalation von 100 Becquerel zu erreichen. Die chemische Toxizität einer so kleinen Schwermetallmenge ist vernachlässigbar. Nicht jedoch die durch die 100 Becquerel Plutonium-239 verursachte Strahlendosis. Sie beträgt immerhin ca. 15 mSv (15 Millisievert; 15 Tausendstel Sievert). Das ist mehr als das 6-fache der natürlichen jährlichen Strahlendosis, die in Deutschland bei etwa 2,3 mSv liegt.

Für 100 Becquerel Uran-238 müssten immerhin schon 8 Milligramm (8 mg, 8 tausendstel Gramm) eingeatmet werden und für 600 Becquerel, dem Grenzwert der Jahres-Aktivitätszufuhr für Inhalation für Uran-238, eine Menge von ca. 48 Milligramm. Dies sind Mengen, bei denen neben der dadurch verursachten Strahlendosis von ca. 20 mSv auch die chemische Toxizität von Uran als Schwermetall bereits eine bedeutsame Rolle spielt.

Als zweite Faustregel gilt, dass für die hier diskutierten α-Strahler die Dosisfaktoren für Inhalation etwa 100 mal größer sind als die für Ingestion. Die genannten Isotope werden für den Menschen also dann besonders gefährlich, wenn sie eingeatmet werden.

4. Bösartige Erkrankungen und Erbgutschäden durch Strahlenbelastung

Nachdem die radioaktiven Stoffe über den Magen-Darm-Trakt oder die Lunge ins Blut gelangt sind, können sie sich in bestimmten Organen anreichern. Im Falle von Uran sind die Anreicherungsorgane, wie bei Plutonium, vor allem die Knochen (ca. 60 %), die Leber (ca. 15 %) und die Niere (ca. 10 %). Die dort freigesetzte radioaktive Strahlung kann in den Organen zu einer Strahlendosis führen, durch die eine Krebserkrankung ausgelöst werden kann. Außerdem und vor allem kann Lungenkrebs entstehen, da insbesondere größere Staubpartikel sich im Lungengewebe festsetzen können und dort dann über lange Zeit ihre radioaktive Strahlung freisetzen. Für all die genannten Krebserkrankungen gilt, dass sie typischerweise erst 20 bis 30 Jahre (Latenzzeit) nach der Strahlenbelastung auftreten.

Durch die Anreicherung in den Knochen kommt es zu einer langfristigen Bestrahlung des Knochenmarks, also des blutbildenden Systems. Dadurch kann Leukämie ausgelöst werden. Nach heutigem Kenntnisstand tritt eine solche Leukämie typischerweise 2 bis 10 Jahre (Latenzzeit) nach einer Strahlenbelastung auf. - Die "normale" Anzahl der pro Jahr auftretenden Leukämiefälle liegt nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in der Gruppe der 20-45-jährigen Erwachsenen bei ca. 50 Fällen pro Million.

Schließlich kann durch die radioaktive Bestrahlung der körpereigenen Keimdrüsen ein Erbgutschaden ausgelöst werden, der sich in Missbildungen oder Erkrankungen in der Nachfolgegeneration äußern kann.

5. Beweise durch Urinproben?

Ein kausaler Zusammenhang zwischen der Einwirkung radioaktiver Strahlung und dem Entstehen von Krebs oder Leukämie oder eines Erbgutschadens wird sich im Einzelfall niemals mit absoluter Sicherheit herstellen lassen, da die Auslöser dieser Erkrankungen (Strahlung, Gifte, genetische Defekte u.a.) keinen Fingerabdruck hinterlassen. Unbestritten ist jedoch, dass das Risiko einer Leukämie- oder Krebserkrankung oder eines Erbgutschadens mit Zunahme der Strahlendosis ansteigt. Deshalb sollte überprüft werden, ob z.B. die Soldaten im Golfkrieg, im Bosnien-Einsatz oder im Kosovo-Krieg einer erhöhten Strahlenbelastung durch radioaktiven Uranstaub ausgesetzt waren und damit die Möglichkeit einer strahleninduzierten Krebs- oder Leukämieerkrankung oder eines Erbgutschadens gegeben ist.

Haben die Soldaten solche Stäube in nennenswerter Menge eingeatmet, so wird das vom Körper aufgenommene (absorbierte) Uran aufgrund seiner z.T. langen biologischen Halbwertszeit nur langsam aus dem Körper wieder ausgeschieden. Es lässt sich demnach in Urinproben der Betroffenen noch Jahre nach einem Einsatz sicher nachweisen.

Wie oben dargelegt, nimmt ein Erwachsener je nach Ernährungsgewohnheiten und Region täglich etwa 1 µg bis 4 µg Uran mit Nahrung und Trinkwasser auf. Davon werden ca. 95 % mit dem Kot wieder ausgeschieden. Etwa 5 % werden vom Körper aufgenommen (absorbiert). Hiervon wiederum wird je nach Alter eine gewisse Menge pro Tag mit dem Urin wieder ausgeschiedenen: bei einem 20-jährigen etwa (20 - 30) ng (Nanogramm; Milliardstel Gramm), entsprechend einer Aktivität von ca. (0,25 - 0,38) mBq (Millibecquerel, Tausendstel Becquerel). Ein 40-jähriger scheidet etwa die doppelte, ein 60-jähriger etwa die dreifache Menge aus.

Mit heutiger Technik (vor allem Massenspektrometrie) ist es kein Problem, eine zusätzliche Uranaufnahme vor allem mit der Atemluft gegenüber der natürlichen Uranaufnahme mit Nahrung und Trinkwasser durch eine erhöhte Uran-Ausscheidung mit dem Urin nachzuweisen. Eine solche Untersuchung sollte allen Betroffenen angeboten werden. Sie ist schon deshalb ratsam, weil damit auch Zweifel oder Unsicherheiten ausgeräumt werden können. Entweder bestätigt sich die von der Bundesregierung öffentlich proklamierte These der „Null Gefährdung“, oder es ergeben sich Hinweise, dass mögliche Gefahren zu voreilig vom Tisch gewischt wurden.

Im Jahre 2001 hat die GSF (heute: Helmholtz Zentrum München - Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit) Ergebnisse von Untersuchungen an Personen vorgelegt, die im Kosovo eingesetzt waren. Die gemessen Urankonzentrationen im Urin dieser Personen lagen laut GSF alle im Normalbereich (siehe Linkliste).

(Stand: 19.01.2024)  | 
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