Shermans Feldzug 1864-1865
William Tecumseh Sherman (1820-1891) stammte aus
Ohio, hatte die Militärakademie
West Point besucht und im Krieg gegen Mexiko (vgl. Anm. 89) gekämpft.
Seit 1853 war er Bankier, Anwalt und Verwalter der Militärschule im
Südstaat Louisiana. Mit Beginn des Bürgerkriegs stellte er sich
auf die Seite des Nordens, wurde Oberst und verlor am Bull Run (vgl.
Anm.
130). Im August 1861 wurde er Brigadegeneral. Die Armee entzog ihm bald
darauf das Kommando, weil er einen langen Krieg voraussah und
öffentlich
größere Kriegsanstrengungen des Nordens verlangte. Er überwand
Nervenzusammenbruch und Selbstmordpläne. Im März 1862 wurde ihm
die Führung der Tennessee-Armee übertragen. Er ließ sich
in der Shilo-Schlacht (vgl. Anm. 130) vom Süden überraschen,
hielt aber in nahezu aussichtsloser Lage unter großen Verlusten für
beide Seiten die Stellung, so daß der Norden unter General Grant
(vgl. Anm. 159) am folgenden Tag den Sieg erringen konnte. Beide
Generale
erzwangen nach achtmonatigen, vor allem durch Krankheiten für den
Norden verlustreichen Kämpfen in den Sumpfgebieten des Mississippi
am 4. Juli 1863 die bedingungslose Kapitulation von Vicksburg (vgl.
Anm.
142). Zusammen eroberten sie Tennessee, nachdem es ihnen gelungen war,
nach der Niederlage bei Chickamauga den Belagerungsring um Chattanooga
zu durchbrechen. William Tecumseh Sherman wurde im März 1864
Befehlshaber
der Westarmee, nachdem Ulysses S. Grant von Abraham Lincoln zum
Befehlshaber
aller Nordstaaten-Armeen ("General of the Army") und zum Kommandeur der
östlichen Truppenteile ernannt worden war (vgl. die Anm. 142 und 159).
Sherman brauchte für seinen Marsch auf Atlanta (160 km) 4
Monate.
Ende August 1864 belagerte Grant im Osten Petersburg bei Richmond,
Sherman
im Westen Atlanta. Das Shenandoah-Tal war weiterhin in der Hand des
Südens.
Grants Strategie des dreifachen zeitgleichen Vorstoßes in den Süden
schien gescheitert zu sein (vgl. Anm. 159).
Am 1. September 1864 triumphierte General Sherman. Die
Konföderierten
zogen sich aus Atlanta zurück; sie hatten die letzte Eisenbahn- und
Straßenverbindung nach Süden verloren. Die Hauptstadt von Georgia,
Industrie- und Eisenbahnzentrum des Südens, war verloren. Am 2.
September
besetzte Sherman kampflos die Stadt. Die Republikaner jubelten, und
Präsident
Abraham Lincoln hatte gute Chancen, wiedergewählt zu werden.
William Tecumseh Sherman war in einer schwierigen Situation.
Gut 40.000
"Rebellen" hatten sich ihm nach Nordwesten hin entzogen. Sie
unterbrachen
immer wieder seine nur schwach gesicherten Nachschubverbindungen. Den
"Rebellen"
zu folgen und die nächste große Schlacht zu suchen lag als gewohnte
Kriegführung nahe und wurde nicht nur von der Generalität der
Südstaaten erwartet. Sherman entschied sich aber anders und überzeugte
den zögernden Grant und den skeptischen Lincoln. Er gab die Verfolgung
der Konföderierten auf, schickte 60.000 Mann nach Tennessee, um seine
Gegner dort zu binden, überließ ihnen die Bahnlinie Chattanooga
- Atlanta und wandte sich mit 62.000 Mann nach Osten. Am 15. November
1864
verließ er Atlanta, vertrieb die Einwohner (20.000), zerstörte,
was die "Rebellen" hatten stehen lassen und zog eine 90 km breite und
460
km lange Schneise der Vernichtung durch Georgia, bis er am 22. Dezember
die Hafenstadt Savannah kampflos einnahm. Einige tausend Milizsoldaten
und 3500 Kavalleristen hatten die "Yankees" nicht aufhalten
können.
"Wir machten alles kaputt, was wir nicht essen konnten, nahmen ihnen
die
Nigger weg, verbrannten ihre Baumwolle und ihre Maschinen, vernichteten
ihre Hirse, verbrannten und verbogen ihre Bahngleise und stellten alles
auf den Kopf", schrieb ein Soldat nach Hause. "Das war ein Feldzug, wie
ihn die Soldaten gern haben - viel Plündern und Zerstörung, wenig
Disziplin und Kampf, herrliches Wetter, wenig Gepäck; es gab
geschmorten
Truthahn zum Frühstück, Hammelbraten zum Mittagessen und Backhühner
zum Abendbrot" (Morison). Sherman war es gelungen, die Initiative zu
ergreifen,
den Süden horizontal zu durchschneiden und dessen Bevölkerung
durch Terror zu lähmen. "Wenn Frieden ist, können Sie alles von
mir haben. Dann teile ich meinen letzten Zwieback mit Ihnen", hatte er
dem Bürgermeister von Atlanta gesagt.
Auch der "Rückzug" seiner 60.000 Mann nach Tennessee war ein
großer
Erfolg. Sie hatten die Anfang September aus Atlanta entwichenen 40.000
Konföderierten angezogen und am 15./16. Dezember bei Nashville
geschlagen:
die Armee war auf 20.000 ausgemergelte, schlecht gekleidete und noch
schlechter
ausgerüstete Soldaten zusammengeschmolzen. Viele hatten die Flucht
ergriffen, waren desertiert oder übergelaufen. Auch das Shenandoah-Tal
(vgl. Anm. 159) hatte der Norden vom 19. September bis 19. Oktober 1864
erobert. General Philip Henry Sheridan (1831-1888) erfüllte seinen
Auftrag, das Tal in "eine unfruchtbare Wüste" zu verwandeln, "so daß
... selbst ein Rabe, der darüber fliegt, seinen Proviant mitbringen
muß". Sheridan hatte gesagt, man dürfe "diesen Menschen nichts
lassen als die Augen, mit denen sie über den Krieg weinen".
Am 1. Februar 1865 begann General Sherman seinen Marsch nach
Norden
auf Richmond/Virginia zu, um mit Grant und Sheridan die Hauptstadt der
Konföderation einzunehmen und der "Rebellion" ein Ende zu setzen.
Nach 50 Tagen hatten seine 60.000 Mann 680 km bis Goldsboro/North
Carolina
zurückgelegt, 13 km am Tag, bei heftigem Regen, in schwierigem Gelände,
belästigt von einigen tausend Reitern und 20.000 demoralisierten
Soldaten,
die trotz Nashville bei der Truppe geblieben waren. Wieder zog der
Norden
einen Streifen verbrannter Erde durch das Land, nun durch South
Carolina,
um den Staat zu demütigen und zu bestrafen, der zuerst die Union
aufgekündigt
hatte (vgl. Anm. 118): "In Georgia wurden nur wenige Häuser in Brand
gesteckt", schrieb ein Offizier, "hier wurden nur wenige verschont".
Wider Erwarten war Sherman nicht auf die Hafenstadt
Charleston losmarschiert,
sondern auf die Hauptstadt Columbia, die am 17. Februar 1865 kampflos
genommen
wurde und weitge-hend in Flammen aufging. Gut 10 000 Konföderierte
räumten einen Tag später Charleston, um die "Yankees" nicht auch
noch im Rücken zu haben. Der Norden war am 7. April 1863 mit seinem
Versuch gescheitert, Fort Sumter in der Hafeneinfahrt zu Charleston mit
Hilfe von 8 Panzerschiffen einzunehmen. Er konnte das Fanal der
Sezession
(vgl. Anm. 118) bis zum 18. April 1865 zwar mehr oder weniger
blockieren,
nicht aber erobern.
Die Hafenstadt Wilmington in North Carolina, durch Fort
Fisher gesichert,
war der letzte noch offene Hafen des Südens (vgl. Anm. 130). Nicht
Sherman, wie J.H. zur Oeveste schreibt, sondern Grant hatte im Dezember
1864 vergeblich versucht, von See her das Fort einnehmen und den Hafen
schließen zu lassen. Dies war seinem General Alfred Terry erst am
15. Januar (Fort Fischer) und 22. Februar 1865 (Wilmington) gelungen.
(Nachweise:
Anm. 167)