Der Entschluß zur Auswanderung
Riesenrodt, Juni 1849
Ich stehe vor dem Rubikon, und ich habe mich heute entschlossen, ihn zu überschreiten. Es ist zwar kein Übergang; wie ihn der stolze Caesar, mit dem ich nur den Namen gemein habe, beabsichtigte; es hängt nicht das Schicksal einer Welt von meinem Vorhaben ab , aber es ist für mich ein ebenso wichtiger Schritt, wie der des Römers für ihn war.

Ich will nach Amerika! - Mein Vaterland, mein Deutschland, will ich verlassen, um jenseits des Meeres mir eine andere Heimat zu gründen.

Eine andere Heimat?!-- Ach ich vergesse, daß ich schon lange keine mehr habe. Der väterliche Herd stand mir seit Jahren verödet ; die Mutter und der Vater haben sich in die kühle Gruft am Bilstein gebettet und Schwester und Brüder sind in der Welt zerstreut. Mich halten keine zarten Bande zurück, denn die Geschwister werden mich begleiten oder mir folgen und kein liebendes Auge wird sich mit Tränen füllen, kein weißes Tuch mir zum Abschied von dem Fenster wehen. Dennoch gehe ich traurig.-

Ich lasse das Land meiner jugendlichen Träume, lasse mein deutsches Land hinter mir; ich muß seinen Kampf und seine Schmach beweinen, da ich nicht dafür in die Schranken treten kann. Ich habe gesehen, wie die lichte Morgenröte der Freiheit trotz schwarzer Wolken hereinstrahlte; da wurden die Deutschen Männer!- Da suchten sie die vergessenen Schwerter aus den Hallen; man sah den blanken Stahl in der Frühsonne blitzen -. Manches Eisen ward gerötet - und wilder wurde der Kampf gegen die Tyrannen.. Er wurde wilder und ungestümer, aber der Teufel streute seine Saat zwischen den Weizen. Und Satans Saat ging auf- und unlautere Elemente mengten sich in den Kampf und wurden die Alliierten der Unterdrücker. Die Kraft des Volkes wurde zersplittert durch Zwietracht und Verrat, und seine Augen geblendet. Die Weisen im Rat vergaßen ihre Sendung und der Herr verwirrte ihre Sprache.- Es schickten die Fürsten ihre Söldner aus gegen die Streiter der Freiheit; der Teufel lieh ihnen sein teuflisches Feuer und sie machten Schrapnells und Granaten daraus und der Tod ging vor ihnen her. Die Haufen der Männer wurden zerstreut und die Anhänger der Freiheit ballen ihre Fäuste im Verborgenen. ---

Alles dieses habe ich gesehen - meine Hoffnungen sind wie Streu verweht - hingegangen in den Wind.-

Was hält mich noch zurück!? Ich will hinüber in ein Land, wo lichtere Sonnen glühen. Leb wohl, du Heimat mein!

Nun ich den scheidenden Blick auf die hellbeschienenen Fluren werfe, und sehe die Berge und Täler, die reichen Felder und lachende Auen, füllt sich mein Auge mit Thränen - . Wie schön bist du mein Heimatland, wie stolz und herrlich deine Wälder, wie deine Wasser rauschen!

Du bist zerrissen und dein Innerstes ist zerfleischt. Weh daß du es bist! Du bist es durch eigene Schuld. Das Mark deiner Knochen haben dir die Geier und Adler ausgehackt und Raubtiere haben dein Herzblut getrunken. Du konntest mit den Zähnen knirschen, und du hast Galle gespieen, du hast das Schwert in der Hand gehalten - warum hast du es nicht gebraucht! - Ich will dich nicht schelten in deiner eigenen Sprache, in der Sprache, die die Götter sprechen. Ich scheide, weil ich deine Schmach nicht länger teilen mag! Aber trotz deiner Schmach bin ich stolz, daß ich ein Deutscher bin!-

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Forschungsstelle Deutsche Auswanderer in den USA - DAUSA * Prof.(pens.) Dr. Antonius Holtmann Brüderstraße 21 a -26188 Edewecht - Friedrichsfehn *Kontakt: antonius.holtmann@ewetel.net