Die Flora und Fauna der Ostfriesischen Inseln

Die Springschwänze der Küstendünen
auf den Ostfriesischen Inseln

(Collembola)

Zusammenstellung des vorläufigen
Artenbestandes anhand von Literaturdaten

Zusammenfassung

Für die Ostfriesischen Inseln liegen nur wenige Veröffentlichungen über das Vorkommen von Collembolen vor. Insgesamt werden 58 Arten (knapp 14 % der aus Deutschland bekannten Arten) aufgeführt, von denen 37 in Dünen unterschiedlichen Sukzessions-Alters auftraten.

Summary

The springtails of the coastal dunes on the East Frisian islands (Collembola). Preliminary list of species inventory based on data from the literature. - There are only few publications available on the occurrence of Collembola on the East Frisian islands. A total of 58 species have been reported from the islands, which amounts to 14 percent of all springtail species known from Germany. 37 species were found in coastal dunes of different successional stages.

Was sind... Springschwänze?

Springschwänze (Collembola) wurden ursprünglich den primär flügellosen Insekten (Apterygota) zugerechnet, heute werden sie als den Krebstieren (Crustacea) nahe stehenden terrestrischen Arthropoden aufgefasst (JANSSENS & LAWRENCE 2007). Es handelt sich um überwiegend höchstens 1-2 mm große Tiere. Zusammen mit den bodenlebenden Kleinringelwürmern (Enchytraeidae), Milben (Acari), Beintastlern (Protura), Doppelschwänzern (Diplura) und Zwergfüßern (Symphyla) bilden sie die Bodenmesofauna. Wie die Insekten besitzen sie einen Thorax mit drei Paar Laufextremitäten, aber nur sechs Abdominalsegmente sowie - wenn überhaupt - nur einzelne Ozellen als Lichtsinnesorgane, keine Komplexaugen. Charakteristische Kennzeichen sind am Kopf: ein Paar Gliederantennen, hinter deren Basen häufig ein charakteristisches Sinnesorgan (Postantennalorgan) ausgebildet ist, sowie zwei Paar in eine Tasche des Kopfes eingesenkte Mundwerkzeuge. Am ersten Abdominalsegment befindet sich ein so genannter Ventraltubus, der sowohl als Haftorgan wie auch zum Gasaustausch und zur Wasseraufnahme dient. Namengebend ist schließlich eine z.T. auch fehlende Sprunggabel nahe dem Körperende aus umgewandelten Extremitäten des 3. und 4. Abdominalsegments.

Collembolen pflanzen sich überwiegend zweigeschlechtlich fort, wobei eine indirekte Spermaübertragung durch Spermatophoren, die von den Männchen frei abgesetzt werden, stattfindet. Viele tiefer im Boden lebende kleine Arten sind parthenogenetisch. Die Entwicklung erfolgt ohne Metamorphose über mehrere Häutungen, die auch nach Erreichen der Geschlechtsreife stattfinden können.

Als Nahrung dienen den meisten Springschwänzen tote organische Substanz (Detritus) und Pilzhyphen. Daneben gibt es aber auch Bakterien- und Algenfresser sowie Räuber. Ihre Funktion im Nahrungsnetz des Bodens besteht damit im Wesentlichen in der Zerkleinerung von Blatt- und Wurzelstreu, die so eine Oberflächenvergrößerung erfährt und damit leichter von Pilzen und Bakterien zersetzt werden kann. Das Befressen oder Aussaugen von Pilzhyphen aktiviert ferner deren Wachstum, was wiederum die Mineralisierung der toten organischen Substanz fördert.

Collembolen kommen in fast allen terrestrischen Lebensräumen von der Arktis über die gemäßigten Breiten bis in die Tropen vor. Bei uns lebt die Mehrzahl der Arten am oder im Boden, man findet sie aber auch auf der Vegetation. Je nach ihrem speziellen Lebensraum, an der Bodenoberfläche und in der Streuschicht, oberflächenah oder in tieferen Schichten des Oberbodens (10-15 cm unter Bodenoberfläche), unterscheidet man epedaphische, hemiedaphische und euedaphische Arten. In dieser Reihenfolge werden entsprechend dem abnehmenden Porenraum, der den Tieren zur Verfügung steht, Körpergröße, Extremitäten, Sprunggabel, Ozellen, Behaarung und Pigmentierung zunehmend reduziert. Zugleich nimmt die Empfindlichkeit gegenüber Temperatur- und Feuchte-Schwankungen zu. Insbesondere die euedaphischen Arten sind an gleichmäßige, relativ niedrige Temperaturen und hohe Luftfeuchte, wie sie in den Bodenporen vorherrschen, angepasst.

Dass Springschwänze eine bedeutende Rolle im Stoffhaushalt vieler terrestrischer Ökosysteme spielen, lässt sich auch aus ihren Siedlungsdichten schließen. Je nach Lebensraum und Jahreszeit finden sich einige Tausend bis über 100.000 Individuen pro Quadratmeter (PETERSEN 1982). Die Artenzahlen liegen in Laub-Wäldern der gemäßigten Klimazone bei 35 bis 60, in Nadelwäldern bei 24 bis 32, in Grünland zwischen 16 und 32 (ebd.). In Äckern sind Artenzahl und Siedlungsdichte stark abhängig von der Bodenart (Sand- oder Lehmboden), von der Bearbeitungs- (=Störungs-)Intensität und von der Düngung; sie sind i.d.R. niedriger als in weniger und gar nicht gestörten Lebensräumen (LARINK 1997). In Küstendünen, die auf den ersten Blick einen eher tierarmen Eindruck machen, wurden ähnlich hohe Artenzahlen und Individuendichten wie im Grünland des Binnenlandes festgestellt (KOEHLER et al. 1995).

Einleitung

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Micranurophorus musci Bernard, 1977, eine maximal 0,4 mm große euedaphische Collembole, in hohen Abundanzen (Norderney: bis 80.000 Ind/m2) in humusarmen Sanden vorkommend (Foto: D. Russel).

Die Springschwänze (Collembola) bilden neben den Milben (vgl. KÖHLER et al. 2008) die individuenreichste Arthropodengruppe im Boden. Als primäre und sekundäre Zersetzer toter organischer Substanz spielen sie eine bedeutende Rolle im Stoffhaushalt terrestrischer Ökosysteme (DUNGER 1983). Über ihre Verbreitung auf den Ostfriesischen Inseln ist jedoch wie auch über die der meisten übrigen Bodentiere kaum etwas bekannt. Unsere Kenntnisse basieren bis heute im Wesentlichen auf Ergebnissen, die im Rahmen dünenökologischer Untersuchungen während der letzten 15 Jahre gewonnen wurden. Aus anderen Habitaten, wie Salzwiesen, Ruderalstandorten etc., liegen praktisch keine Informationen vor. Angaben aus älterer Literatur (z.B. POPPE 1891, SCHNEIDER 1898) sind vielfach nicht interpretierbar, da sich die Nomenklatur geändert hat und Synonyma nicht zu klären sind.

Vorläufiger Artenbestand auf den Ostfriesischen Inseln

Lediglich von Norderney und Spiekeroog gibt es aktuelle Meldungen von Springschwänzen (Tab. 1), für Wangerooge meldet STRENZKE (1955) sieben Arten. Die Meldungen von Borkum und Juist stammen vom Ende des 19. Jahrhunderts und sind hinsichtlich ihrer taxonomischen Validität mit Vorbehalt zu behandeln. Aber auch für die übrigen Artbenennungen gilt der Hinweis Dungers, dass aus dem Mangel an aktueller Bestimmungsliteratur eine Konfusion in der Beurteilung von Verbreitung und ökologischem Verhalten der Collembolen resultiert (DUNGER 1994).

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Tab. 1: Artenzahlen der auf den Ostfriesischen Inseln bis heute festgestellten Springschwänze.

Die in den alten Arbeiten genannten Artnamen wurden an Hand der Checklist von BELLINGER et al. (1996-2006) überprüft und entsprechend der dort gegebenen Systematik eingeordnet.

Insgesamt umfasst die Liste 58 Arten, das sind knapp 14 % der aus Deutschland bekannten 416 Arten (SCHULZ et al. 2005; in deren Liste die auf Norderney und Spiekeroog gefundene Scaphaphorura arenaria noch fehlt). Von den 58 Arten wurden 37 in Dünenhabitaten unterschiedlichen Sukzessions-Alters nachgewiesen. Jedoch gibt es offenbar keine spezifischen Dünen-Arten (HANDELMANN 2006), vielmehr kommen alle in Dünen festgestellten Arten auch in anderen Habitaten vor. Wie weit Scaphaphorura arenaria, die erst 1965 von Petersen aus Dünen West-Jütlands beschrieben wurde, in ihrem Vorkommen auf Küsten-Dünen beschränkt ist, lässt sich derzeit mangels weiterer Fundortangaben nicht beurteilen.

Basierend auf einem Artikel von:

Prof. Dr. Gerhard Weidemann
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Stand: 02/2009