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  • Sonnenbrand und blutsaugende Sandfliegen vermisst sie nicht: Gabrielle Miller im Labor ihrer Oldenburger Arbeitsgruppe. Foto: Daniel Schmidt

Tausche Korallenriff gegen Uni-Labore in Wechloy

Sie will wissen, wie sich verschiedene Tierarten an ihre Umwelt anpassen und zu welchem Preis: Die Australierin Dr. Gabrielle Miller forscht als Alexander-von-Humboldt-Stipendiatin am Institut für Biologie und Umweltwissenschaften.

Sie will wissen, wie sich verschiedene Tierarten an ihre Umwelt anpassen und zu welchem Preis: Die Australierin Dr. Gabrielle Miller forscht als Alexander-von-Humboldt-Stipendiatin am Institut für Biologie und Umweltwissenschaften.

Die Schwarzflossen-Anemonenfischdame wirkt eigentlich ganz friedlich. Dr. Gabrielle Miller hält ihren Finger ins Aquarium und bewegt ihn ein bisschen hin und her. Binnen Sekunden schießt das schwarzrote Weibchen heran und greift den Finger an. Der uneingeweihte Zuschauer springt erschrocken einen Schritt zurück – Gabrielle Miller lächelt fröhlich vor sich hin: „Ja, ja, die Damen können ganz schön aggressiv werden.“ Die 31-Jährige weiß, wovon sie spricht: Jahrelang hat sie sich mit Amphiprion melanopus, so lautet der lateinische Fachname des Fisches, beschäftigt – und zwar am Great Barrier Reef in Australien, jenem Hotspot, von dem nicht nur nahezu alle Meeresbiologen träumen, sondern auch viele andere Menschen.

Der weltweit größte Korallenriffverbund erstreckt sich über eine gut 350.000 Quadratkilometer große Fläche entlang der australischen Ostküste. Das entspricht in etwa der Größe Deutschlands. Und genau hier, im nördlichen Europa, lebt die Alexander-von-Humboldt-Stipendiatin nun seit vergangenen Oktober: grauer Herbst, verregneter Winter, kalter Frühling statt Sonne satt. „Ja, das Tageslicht hat mir anfangs schon gefehlt“, räumt die Korallenriff-Forscherin ein, die nach einem viermonatigen Sprachkurs seit März in der Arbeitsgruppe Biodiversität und Evolution der Tiere im Institut für Biologie und Umweltwissenschaften (IBU) unter der Leitung von Prof. Dr. Gabriele Gerlach forscht. Sie sei ständig müde gewesen: „Es war dunkel, ich verstand die Sprache nicht und kannte niemanden.“

Da stellt sich zwangsweise die Frage: Warum tauscht jemand freiwillig einen solchen „Traumjob“ gegen die grau-deutsche Realität? „Die Bedingungen für Postdoktoranden sind in Deutschland tatsächlich besser als in Australien“, erzählt sie. Seit dem Regierungswechsel in Down Under habe sich die Lage für promovierte Wissenschaftler, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen, weiter verschärft. „Und im Bereich Korallenriff-Forschung ist die Luft besonders dünn: wenig Gelder, dafür aber starke Konkurrenz“, bringt es die junge Frau auf den Punkt. Mit ihrer neuen Chefin in Oldenburg hatte sie bereits an der James Cook Universität in Townsville zusammengearbeitet – „eine sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit“, sagt Miller.

Der entscheidende Grund aber, warum die Wissenschaftlerin ihrer Heimat den Rücken gekehrt hat, ist noch ein anderer: Sie wollte den Blick nicht nur auf die Korallenriff-Forschung fokussieren, sondern sich mit fachübergreifenden Fragestellungen beschäftigen. Und genau das kann sie in Oldenburg. In den Laboren der Arbeitsgruppe gibt es Süß- und Salzwasseraquarien. Dort leben Fische, Krebse, Garnelen und Nesseltiere unter unterschiedlichen Licht-, Wasser- und Futterbedingungen.

Gabrielle Miller will wissen, wie sich diese unterschiedlichen Modelltierarten an ihre Umwelt anpassen und was sie dafür gewissermaßen zahlen müssen: ökologisch, evolutionär und reproduktiv. „Ich stehe noch am Anfang meiner Untersuchungen, schließlich bin ich erst seit 1. März dabei“, sagt sie. Aber die Forscherin fühlt sich bereits rundum wohl, das anfängliche Heimweh ist überwunden – dazu beigetragen hat auch ihr Fachkollege Dr. Sebastian Schmidt-Roach, mit dem sie ein Büro teilt und mit dem sie schon in Townsville zusammengearbeitet hat. Für die Biologin steht schon jetzt außer Frage, dass sie nach dem Stipendium noch länger in Deutschland forschen möchte: „In zwei Jahren kann ich nicht viel erreichen“, sagt sie.

Und das passt irgendwie nicht in den Lebenslauf der jungen Frau. Der liest sich nämlich wie eine wissenschaftliche Bilderbuchkarriere: Neben sechs Veröffentlichungen als Doktorandin, diversen Präsentationen und Postern auf internationalen Konferenzen hat sie bereits Auszeichnungen und Stipendien erhalten und Fördergelder eingeworben. Beispielsweise den „Science for Management Award“, den die Great Barrier Reef Marine Park Authority an besonders engagierte Riffforscher vergibt. Oder den Australian Postgraduate Award. „Wir wurden von unseren Betreuern immerzu angehalten, Gelder und Preise einzuwerben“, erzählt sie – offensichtlich mit Erfolg. Als Invited Reviewer arbeitet Miller für renommierte Fachjournale wie „Nature Climate Change“, „Marine Biology“, „Marine Ecology Progress Series“, „ICES Journal of Marine Science“ und „Ecology and Evolution“.

Diese junge Frau wollte offensichtlich schon immer Korallenriffforscherin werden – so zielstrebig, wie sie ihre Karriere vorangetrieben hat. „Doch so war es anfangs gar nicht“, sagt sie und lacht wieder. Denn in ihr schlummert noch ein anderes Talent: das Singen. Und so hat sie eine Weile damit geliebäugelt, Opernsängerin zu werden und sogar als Sängerin gejobbt. „Doch das ist komplett vorbei, ich singe nur noch unter der Dusche“, gesteht sie. Hat sich die Australierin erst einmal für einen Weg entschieden, gibt es kein Zurück mehr. „Natürlich ist das Riff traumhaft schön, und natürlich vermisse ich meine Familie“, sagt sie.

Dennoch freut sie sich auf jeden neuen Tag in Oldenburg: „Es ist eine kleine Märchenstadt mit einer grandiosen Universität. Und der Weihnachtmarkt war ein Highlight für mich.“ An der Laborarbeit schätzt die Forscherin besonders die konstanten Bedingungen und die fehlenden blutsaugenden „Sandflies“, die ihr den Spaß an der frischen Luft bisweilen verdorben haben. „Und als Feldforscherin im Riff würde ich auf Dauer tatsächlich nicht glücklich werden, denn ich vertrage die intensive Sonne nicht“, verrät sie. Da ist doch Oldenburg genau der richtige Ort.

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(Changed: 29 May 2024)  | 
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